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In 80 Tagen um die Welt – Von Menschen, Beerdigungen, Liebe und dem Sinn des Reisens

Wer mich kennt, weiß: Ich bevorzuge die Nebenschauplätze dieser wunderschönen Welt. Die großen Weltwunder sind beeindruckend, doch das wahre Leben – und die wahren Wunder – finde ich in den kleinen Gassen. Genau dort liegt für mich der eigentliche Reiz des Reisens.

Also hieß es: rauf aufs Moped und so schnell wie möglich vom asphaltierten Highway auf einen Feldweg abbiegen. Immer mit dem Ziel im Hinterkopf, Menschen kennenzulernen und meinen eigenen Horizont zu erweitern.

Neben vielen einprägsamen Begegnungen mit den Menschen Kambodschas erlebte ich eine traditionelle Beerdigung und war sogar kurz Gast auf einer Hochzeit.

So sammelte ich unvergessliche Momente – und das alles noch vor dem Frühstück.

Die Menschen in den kleinen Dörfern kennenlernen

Wie schon oft geschrieben, liebe ich es, auf Reisen Menschen kennenzulernen. Einerseits macht es mir Freude, andere sympathische Reisende zu treffen. Andererseits finde ich es unglaublich spannend, Einblicke in das Leben der Menschen zu bekommen, die in den jeweiligen Ländern wohnen.

Diese Begegnungen haben mir bisher immer kleine Einblicke in ein Leben gegeben, das sich oft stark von meinem unterscheidet. Obwohl wir uns denselben Planeten teilen, führen wir doch einen völlig anderen Alltag. Dieser Gedanke fasziniert mich jedes Mal aufs Neue.

Interessant daran ist, dass jeder Mensch seine eigene Realität als den Normalzustand dieser Welt wahrnimmt. Das vertraute Leben fühlt sich selbstverständlich an. Ich kann mir kaum vorstellen, dauerhaft in den Realitäten zu leben, die ich auf meinen Reisen kennenlerne.

Manchmal fuhren wir einfach einen beliebigen Feldweg entlang, der von der Hauptstraße abzweigte. Auf dem Weg zu den Dörfern trafen wir regelmäßig Menschen, die auf Mopeds oder Fahrrädern unterwegs waren. In einer Siedlung angekommen, fielen wir schnell auf und kamen mit den Bewohnern ins Gespräch. Schulkinder winkten uns lachend zu, während sie auf ihren Fahrrädern vorbeifuhren. Andere Kinder freuten sich, dass wir sie beim Spielen ansprachen, und waren begeistert von meinem kleinen Fotodrucker.

Manche Menschen liefen uns sogar entgegen, um mit uns in Kontakt zu treten. Offenbar sind nur wenige Reisende daran interessiert, zu sehen, wie das Leben abseits der großen touristischen Attraktionen aussieht. Umso schöner war es für uns, mit einer stolzen Mutter ins Gespräch zu kommen, die uns voller Freude ihr Kind und ihr Haus zeigte. Natürlich fertigte ich ein Porträt von ihr an. Als sie den Fotoabzug in den Händen hielt, strahlte sie – und ich hoffe, dass das Bild in ihrem Zuhause einen kleinen Ehrenplatz bekommen hat.

In einem anderen Dorf begegneten wir einer Frau mittleren Alters, die auf ihre kleinen Kinder aufpasste. Ihr trauriger, unglücklicher Ausdruck weckte mein Interesse, also drehte ich kurzerhand mit dem Motorroller um und suchte den Kontakt zu ihr.

Nach einer freundlichen Begrüßung kamen wir schnell ins Gespräch. Ich lobte zuerst die schöne Natur, ihr kleines Haus und ihre spielenden Kinder. Dann fragte ich sie, wie es ihr ginge. Sie erzählte, dass sie unter starken Schmerzen in der Hüfte litt, sich kaum bewegen konnte und keinerlei Hoffnung auf Besserung hatte. Weder konnte sie sich einen guten Arzt leisten noch die Medikamente bezahlen, die ihre Schmerzen lindern würden – von einer Operation in den nächsten Jahren ganz zu schweigen.

Gerade diese Begegnung brachte mich stark zum Nachdenken. Wir leben in einem Land, in dem – meiner Meinung nach – Zufriedenheit, ein natürliches Lächeln und Demut immer seltener zu finden sind. Trotz ihrer ausweglosen Situation klagte die Frau nicht, sie schimpfte nicht und bettelte nicht. Sie erzählte mir offen von ihrem Leid, freute sich aber zugleich über das Gespräch und darüber, dass wir uns kennenlernten.

Ich bedankte mich für diese Begegnung, und wir verabschiedeten uns voneinander. Der Gedanke, dass wir uns vermutlich nie wiedersehen würden, beschäftigte mich den ganzen restlichen Tag.

Am Abend aber war ich dankbar. Dankbar, dass dieser Mensch für ein paar Minuten Teil meines Lebens geworden war, und dass ich diese Begegnung für lange Zeit in Erinnerung behalten werde. Vielleicht liegt genau darin der Sinn des Reisens: Menschen zu begegnen, die uns etwas fürs Leben lehren.

Wie ich zufällig Gast einer Beerdigungszeremonie wurde

An einem anderen Morgen war ich allein mit dem Moped unterwegs – auf der Suche nach neuen Abenteuern, oder besser gesagt: nach neuen Begegnungen mit den Menschen Kambodschas.

Ich fuhr eine Straße entlang, blickte nach links und rechts und suchte nach spannenden Motiven. Am Horizont entdeckte ich eine Menschenmenge, gekleidet in Weiß, die entlang der Straße zog. Als ich näher kam, hörte ich wunderschön klingende Gesänge. Ich fuhr langsam an den Menschen vorbei und erkannte, dass es sich um einen Trauerzug handelte. Vor und hinter einem Wagen, auf dem ein Sarg transportiert wurde, liefen die Teilnehmer in weißen Kleidern. Ein Lautsprecher auf dem Wagen verstärkte die Gesänge, die von den Menschen mit Klatschen, Lachen und Weinen begleitet wurden – alles zugleich, in einem eigenartig berührenden Einklang.

Nachdem ich den Trauerzug überholt hatte, fuhr ich an den Straßenrand und sah zu, wie er erneut an mir vorbeizog.

Gedanklich hatte ich mich schon von diesem Moment verabschiedet. Ich fotografierte die Umgebung und suchte weiter nach einem besonderen Augenblick. Also bog ich wieder von der Hauptstraße ab, diesmal in einen schmalen Weg, der von einem Spalier aus Palmen gesäumt war. Im Schritttempo rollte ich entlang, bis ich bei einem kurzen Stopp erneut die mystischen Gesänge hörte.

Den Klängen folgend, erreichte ich schließlich die Beerdigungszeremonie selbst. Ich parkte mein Moped und näherte mich vorsichtig und respektvoll der Szene.

In Deutschland wäre es wohl undenkbar, einer fremden Beerdigung beizuwohnen. Hier in Asien jedoch ist es oft überhaupt kein Problem – vielmehr scheint es, als würde man willkommen geheißen.

Die Stimmung möchte ich nicht ausschweifend beschreiben, aber sie war zweifellos eine Mischung aus Demut, Faszination und Lebensbejahung.

Nach ein paar Blickkontakten mit den Menschen vor Ort entschied ich mich, meine Kamera einzuschalten und einige Fotos aufzunehmen.

Einige junge Männer entzündeten das Feuer. Schon bald loderten die Holzscheite hell auf – darunter lag der Verstorbene. Die Trauergäste standen davor und betrachteten die Flammen gespannt. Immer wieder wurden verschiedene Gesänge angestimmt, in die alle gemeinsam einstimmten.

An anderen Stellen des Tempels beteten Besucher oder empfingen den Segen eines Oberhaupts. Es herrschte ein buntes Treiben: Manche Gäste, in Weiß gekleidet, kamen neu hinzu, andere verließen die Zeremonie wieder.

Ich selbst stand mitten auf dem Tempelgelände, ließ meinen Blick schweifen, sah die Menschen, das brennende Feuer, spielende Kinder und andere, die still und nachdenklich in die Flammen blickten.

In diesem Moment wurde mir bewusst: Durch reinen Zufall war ich auf diese Zeremonie gestoßen – und hatte damit ein weiteres wunderschönes Abenteuer erlebt, das mir hoffentlich ein Leben lang in Erinnerung bleiben wird.

Ein einsamer Tempel mit Mönchen und einer Katze

Überwältigt von den Bildern der Zeremonie setzte ich mich wieder auf meinen Roller und fuhr weiter über die einsamen Straßen. Die Wege wurden immer schmaler, bis plötzlich eine kleine Tempelanlage vor mir auftauchte.

Gefühlt war ich schon sehr weit von Angkor Wat entfernt, und die Gegend machte den Eindruck, als würde sich hier kaum je ein Tourist hin verirren. Doch wie aus dem Nichts trat ein freundlicher Mann auf mich zu und bat mich um mein Ticket. Glücklicherweise hatte ich mein Angkor-Ticket in der Tasche und konnte es ihm vorzeigen, sodass er es für den aktuellen Tag lochen konnte. Tag 5 von 7.

Dieser kleine Tempel war ein Idyll. Für mich als Laien sah er zwar aus wie viele andere Tempel des Angkor-Königreichs, doch der große Unterschied war: Hier war einfach niemand. Keine Besucher, keine Stimmen, kein Gedränge – ich war ganz allein und konnte den Tempel in aller Ruhe erkunden.

Die Stimmung am frühen Morgen war zauberhaft. Das Licht strahlte durch die Palmen und tauchte die Anlage in einen warmen, goldenen Farbton. Es war schlicht fantastisch.

In unmittelbarer Nähe befand sich ein weiterer Tempel, in dem noch heute Mönche leben. Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, auch dort einen Spaziergang zu machen – in der Hoffnung, vielleicht mit einem Mönch ins Gespräch zu kommen. Schließlich hatte ich in Laos schon wunderbare Erfahrungen gesammelt, die sogar in einer gemeinsamen Meditation mit einem Mönch in dessen Tempel mündeten.*

*Gerade habe ich versucht, den Blogartikel dazu zu verlinken und gemerkt, dass ich ihn noch gar nicht geschrieben habe. Nach und nach tippe ich sämtliche Reiseberichte in meinen Blog. Versprochen.

Doch zurück nach Kambodscha: Leider war die Zeit diesmal ungünstig. Die Mönche saßen gerade beim Essen, und ich wollte sie nicht stören. Also fotografierte ich stattdessen die Umgebung und ließ die Stimmung des Tempels auf mich wirken – Ruhe, Gelassenheit, Gemütlichkeit und eine spürbare Spiritualität.

Leben Tür an Tür mit dem Glück junger Menschen und dem Tod

Zufrieden verließ ich den letzten Tempel, startete meinen kleinen Feuerstuhl und tuckerte über die Feldwege zurück, bis ich wieder die Hauptstraße erreichte. Nach ein paar Abbiegungen sollte mich diese schließlich zur Unterkunft führen – das Frühstück wartete quasi schon auf mich.

Doch wie das Leben in Kambodscha so spielt, geriet ich unterwegs in eine Hochzeit. Direkt auf der Straße feierten zwei junge Menschen ihre Vermählung, umringt von ihren Familien.

Wie nah liegen Leben und Tod doch beieinander? An diesem Tag wurde mir das noch einmal besonders bewusst. Man muss dabei nicht einmal an extreme Fälle denken – allein die Tatsache, dass ich am selben Tag von einer Beerdigung in eine Hochzeit geriet, war schon außergewöhnlich. Wie oft passiert so etwas? Wohl an den wenigsten Tagen auf diesem Planeten. Es sei denn, man ist Pfarrer mit vollem Terminkalender – dann sollte man nur aufpassen, die vorbereiteten Reden nicht zu verwechseln.

Doch im Grunde: Liegen Glück und Leid nicht immer nah beieinander? Wie oft geraten wir in Situationen, die uns herausfordern und schwer erscheinen – nur um kurz darauf von einer glücklichen Phase abgelöst zu werden?

Vielleicht liegt die Kunst des Lebens darin, es so zu handhaben wie die Menschen in Kambodscha: Eine Beerdigung wird hier als kleines Fest begangen. Dem Ernst wird etwas genommen – man kleidet sich in Weiß, man singt. Probleme werden akzeptiert und gelöst. Und wenn sie überwunden sind, begegnet man dem Leben wieder mit Demut und ist bereit für das Glück. Und wenn das Glück kommt, darf man es in vollen Zügen genießen.

Der Gedanke ist sicherlich nicht neu. Doch in der Reflexion dieser Reise kam er mir immer wieder. Vielleicht sind genau solche Gedanken die wahren Learnings meiner kleinen Ausflüge.

Fazit: Ist das der Sinn des Reisen?

Sind solche Begegnungen der Sinn des Reisens? Für mich: ja. Ich liebe es, fremde Kulturen kennenzulernen, das Leben zu beobachten und einen Einblick in andere Lebensperspektiven zu bekommen.

Ganz gleich, ob es eine Bekanntschaft in einem kleinen Dorf ist, Gespräche mit anderen Reisenden im Hostel, das Beiwohnen einer Trauerzeremonie oder das flüchtige Erleben einer Hochzeit – all diese Momente bleiben mir in Erinnerung und prägen mein zukünftiges Ich.

Genau diese Erlebnisse machen für mich das Reisen aus. Umso demütiger blicke ich auf meine Reisen zurück und spüre eine tiefe Dankbarkeit, dass ich so etwas erleben durfte – und natürlich, dass ich dir davon berichten kann.

Danke!

By the way: Du siehst, auch dieser Weg hat sich wieder einmal gelohnt. Das Besondere lag heute im ganz Kleinen.

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