
Kahakuloa – schon der Name klingt wie ein Versprechen auf das echte, unverfälschte Hawaii.
Versteckt an der wilden Nordküste Mauis, nur über eine schmale und kurvige Straße erreichbar, liegt dieses kleine Dorf – eingebettet in sattes Grün, steile Klippen und eine Stille, wie man sie sonst kaum noch findet.
Keine großen Hotels, keine Touristengruppen – nur Natur, authentisches Leben und eine Ruhe, die sofort entschleunigt.
Genau hier trafen wir auf unserem Roadtrip einen ganz besonderen Menschen. Seine Geschichte und Lebensweise haben uns tief beeindruckt. In diesem Blogpost nehme ich dich mit dorthin – zu einem Ort, der sich für immer in mein Herz eingebrannt hat.
Unser zweiter Besuch in Kahakuloa
Wie im letzten Blogpost beschrieben, kamen wir bei unserer Western-Loop-Tour etwas zu spät in Kahakuloa an, um den Ort wirklich entdecken zu können. Doch der Zauber des kleinen Dorfes ließ mich nicht mehr los – also wollte ich unbedingt noch einmal dorthin zurückkehren. Zum Glück war meine Freundin sofort einverstanden.
Am nächsten Tag machten wir uns von Kihei aus erneut auf den Weg nach Kahakuloa. Wieder fuhren wir über die abenteuerliche Bergstraße, vorbei an den letzten Siedlungen, hinein in ein Panorama, das mit jedem Kilometer schöner wurde. Alles war in ein sattes Grün gehüllt – Wälder, Wiesen, Hänge.
Schließlich erreichten wir den Aussichtspunkt vor dem Dorf. Von hier hat man einen traumhaften Blick auf die Bucht von Kahakuloa: die kleinen Häuser, die Kirche, die schmale Straße, die sich durch das Dorf windet – und im Hintergrund das stetige Donnern der Brandung am steinigen Ufer.
Nach einer ausführlichen Foto-Session stiegen wir zurück in unseren Kia Soul und fuhren hinab ins Dorf. Endlich war es soweit: Wir konnten Kahakuloa richtig erkunden.

Wo kann man hier parken? Vor der Kirche auf jeden Fall nicht …
Voller Vorfreude rollten wir durch das Dorf – doch die Begeisterung bekam schnell einen Dämpfer. Auf den Straßen war keine Menschenseele zu sehen, und zudem gestaltete es sich schwierig, unseren Mietwagen irgendwo abzustellen. Direkt neben der engen Fahrbahn begannen bereits die Zäune, Parkmöglichkeiten gab es keine.
Auch die Häuser ließen sich nur schwer erblicken: Die Grundstücke waren groß, die Gebäude standen meist weit hinten, verborgen hinter Bäumen oder Zäunen. Die kleinen Seitenstraßen, die von der Hauptstraße abzweigten, waren fast alle durch Tore verschlossen. So blieb uns nur der flüchtige Blick von der Straße aus.




Also fuhren wir zunächst zur Kirche des Dorfes. Hier war es endlich kein Problem, das Auto abzustellen. Kaum ausgestiegen, meldete sich jedoch der Hund vom Nachbargrundstück lautstark zu Wort und machte so seinen Besitzer auf uns aufmerksam. Trotz meines freundlichen Winkens erwiderte er den Gruß nur zögerlich – als müsse er sich erst überwinden.
Während wir die kleine, verschlossene Holzkirche betrachteten, hatte ich das Gefühl, unter ständiger Beobachtung zu stehen. Viel gab es zwar nicht zu sehen, und doch lag ein besonderer Zauber in der Luft: der Blick auf die wenigen Häuser, das ferne Rauschen des Ozeans, die Stille des Ortes.
Gleichzeitig konnte ich förmlich die Erleichterung in den Gesichtern der Anwohner lesen, als wir den Parkplatz wieder verließen. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben – irgendwo musste es doch Menschen geben, die bereit waren, ein Gespräch mit uns zu führen.


Ein pinker Shop mit einer unvergesslichen Frau
Nur wenige Meter weiter entdeckten wir eine kleine Parkbucht – perfekt gelegen vor einem knallpink gestrichenen Shop, der so bunt und unüberschaubar wirkte, dass er uns sofort anzog. Endlich die Chance: einen Platz fürs Auto zu finden und gleichzeitig ins Gespräch zu kommen.
Mein Gedanke: Wenn wir hier parken und ein Gespräch beginnen wollen, dann sollten wir natürlich auch etwas kaufen. Am Vortag hatten wir bereits ein Bananenbrot in einer kleinen Hütte am Wegesrand erworben – mit „Kasse des Vertrauens“ und Preisen, die eher nach Spende als nach Schnäppchen klangen. Umso gespannter war ich, was uns hier ein Eis kosten würde.
Wir bestellten jeder eine Kugel, bezahlten und blieben dann mit unseren Waffeln in der Hand halb unschlüssig vor dem Laden stehen – fast wie zwei ertappte Ladendiebe. Während wir unser Eis schleckten, bewunderten wir die liebevoll dekorierte Fassade, studierten die ausgestellten Zeitungsartikel und hörten mit halbem Ohr dem Gespräch der Ladenbesitzerin mit einer Kundin zu. Später sollte sich herausstellen, dass diese Frau zu ihrer Familie gehörte.

Nach und nach kamen wir mit der Verkäuferin ins Gespräch. Natürlich lobten wir zuerst ihren liebevoll dekorierten Shop und das leckere Eis. Ich erzählte ihr, dass wir bereits am Vortag in Kahakuloa gewesen waren und heute extra zurückgekommen sind, weil uns das Dorf so gut gefallen hatte. Diese Offenheit überraschte sie, doch man merkte sofort, wie sehr sie sich darüber freute, dass wir nicht nur durchfuhren, sondern wirklich stehenblieben, um einen Teil ihres Lebens mitzuerleben.
Wir waren ihre einzigen Gäste, und so nahm sie sich Zeit für uns. Sie erzählte, dass nur wenige Touristen den Weg nach Kahakuloa fänden – und wenn, hielten sie selten an. Wie zur Bestätigung rollte in diesem Moment ein glänzendes Cabrio durch die Dorfstraße: ein kurzer Halt, ein Foto durchs Autofenster, Gas geben – und schon waren die Besucher wieder verschwunden.
Für sie jedoch war der kleine Laden mehr als nur ein Geschäft. Er war ihre Möglichkeit, sich zur Rente noch etwas dazuzuverdienen – und zugleich ein Ort, um Geschichten und ein Stück hawaiianischer Kultur weiterzugeben.
Beim Betrachten der Zeitungsartikel an den Wänden fiel mir immer wieder derselbe Mann auf: ein Musiker. Neugierig fragte ich nach. Mit leuchtenden Augen erzählte sie schließlich, dass sie die Witwe von Richard Ho‘opi‘i sei – einem der bekanntesten hawaiianischen Sänger.
Eine bewegende Biographie: Ululani Ho’opi’i erzählt von ihrem Leben
Ululani ist eine beeindruckende Frau. Ihr Alter lässt sich schwer schätzen – aber das spielt keine Rolle. Viel wichtiger ist die Erfahrung, die sie im Laufe ihres Lebens gesammelt hat, und die vielen Geschichten, die sie bereitwillig mit uns teilte.
Immer wenn sie auf ihren verstorbenen Mann zu sprechen kam, wurde ihr Blick glasig, und ihr strahlendes Lächeln wich für einen kurzen Moment der Trauer. Man spürte deutlich, wie sehr sie ihn vermisst. Gleichzeitig tat es ihr sichtlich gut, über die gemeinsame Zeit zu sprechen. Sie schwärmte von ihren Reisen, während wir gespannt zuhörten – und ebenso aufmerksam lauschte sie unseren eigenen Erzählungen.
Als das Gespräch auf ihr Dorf kam, erzählte sie, dass heute nur noch wenige Menschen in Kahakuloa leben – vor allem ihre Familie. Viele junge Leute zieht es längst in die Stadt oder sogar auf eine andere Insel.
Die Minuten vergingen schnell, und langsam kündigte sich die Dämmerung an. Ich merkte, dass sie ihren wohlverdienten Feierabend einläuten wollte. Bevor wir uns verabschiedeten, fragte ich sie, ob ich ein Portrait von ihr machen dürfe. Sie nickte lächelnd – und es schien ihr zu gefallen, für einen Moment im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit zu stehen.

Ob ich ein Foto direkt vor Ort ausgedruckt und ihr geschenkt habe, weiß ich heute nicht mehr. Sollte ich meinen portablen Drucker dabeigehabt haben, dann hat sie sich sicher sehr über das kleine Portrait gefreut. Auf jeden Fall bat ich sie beim Abschied um ihre Adresse, um ihr später einen größeren Print zuschicken zu können.
Ihre Augen glänzten vor Freude, als sie mir ihre private Adresse auf die Visitenkarte ihres Shops schrieb. Dann begann sie, Schublade um Schublade zu durchsuchen – und aus der letzten holte sie eine ihrer CDs hervor. Es war ein Album, das ihr Mann gemeinsam mit seinem Bruder aufgenommen hatte.
Gibt es ein schöneres Souvenir als dieses Geschenk? Ich glaube kaum.
Wir bedankten uns herzlich bei einander – und ich bin sicher, dass wir alle drei froh waren, uns an diesem besonderen Ort begegnet zu sein.
Mit einem tollem Erlebnis verließen wird das Dorf
Nach dieser Begegnung hatte ich meinen Frieden mit Hawaii geschlossen. Bis dahin hatte ich auf Maui noch nicht das gefunden, was ich suchte. Natürlich gibt es hier atemberaubende Landschaften, und für Geld kann man nahezu alles erleben – vom abenteuerlichen Tauchgang über verrückte Tagesausflüge bis hin zu Begegnungen mit exotischen Tieren. Aber für mich wirkte Maui bis dahin wie eine einzige Touristenblase, in der es nichts wirklich Einzigartiges zu entdecken gab – oder wir hatten es schlicht noch nicht gefunden.
Das änderte sich an dem Tag, an dem wir Ululani kennenlernten. Diese kurze, aber eindrückliche Begegnung war für mich kostbarer als jede Attraktion der Insel. Obwohl wir vielleicht nur eine halbe Stunde miteinander sprachen, hoffe ich, dass mir Ululani ein Leben lang in Erinnerung bleibt.
So verließ ich das Dorf zufrieden und voller Dankbarkeit. Auf der kurvigen Bergstraße zurück in Mauis Hauptstadt schweiften meine Gedanken immer wieder ab. Ich dachte an unser Gespräch, an ihre Ausstrahlung und an die Ruhe, die sie verkörperte. Ululani strahlte eine tiefe Zufriedenheit aus – und genau das machte sie für mich zu einer ganz besonderen Persönlichkeit.




P.S.: Leider muss ich gestehen, dass ich Ululani das ausgedruckte Foto bisher noch nicht geschickt habe. Die Prints und die Versandtaschen liegen bereits auf meinem Schreibtisch – es fehlt nur noch der Brief, dann kann das Päckchen von Deutschland nach Hawaii reisen. Vielleicht erinnert sich Ululani mit meinen Fotos in der Hand wieder an uns, so wie wir uns immer an sie erinnern werden.