
Nachdem ich endlich eine Kamera gefunden hatte, galt es, unseren Roadtrip durch Taiwan zu planen – und natürlich die Hauptstadt zu erkunden.
Der Kulturschock, als wir am Abend in Taipeh ankamen, traf uns mit voller Wucht. Wir hatten zuvor rund zwei Wochen in Kambodscha verbracht – und die Unterschiede hätten größer kaum sein können. Dort: staubig, heiß, rau. Hier: knallige Neonfarben in der Nacht und Temperaturen, die das Anziehen einer dünnen Jacke rechtfertigten.
Taipeh ist bunt, quirlig, verrückt, laut – und zugleich erstaunlich leise. Für mich war es eine Stadt, die weder spektakulär noch unspektakulär ist, aber genau darin liegt ihr Reiz. Sie wirkt wie eine echte Weltstadt, die trotzdem ihren ursprünglichen, traditionellen Charme bewahrt hat. Viele haben Taiwan sicher nicht auf ihrer Bucket List – doch es lohnt sich auf jeden Fall, einen Blick in die Republik China, also Taiwan, zu werfen.
Sind wir in Taiwan oder in der Mongolei?
Die meisten Reisenden zieht es in einer neuen Stadt zuerst ins Zentrum. Also fuhren auch wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln direkt zum Chiang-Kai-Shek-Memorial – dem historischen Herzen Taipehs. Dort erhebt sich eine 70 Meter hohe, marmorverkleidete Gedenkhalle, umgeben von einem weitläufigen Park. Das Monument erinnert an den langjährigen Nationalistenführer und Präsidenten der Republik China, Chiang Kai-Shek.
Mehrmals täglich findet hier eine eindrucksvolle Wachablösung statt. Auch wenn ich persönlich mit Militär, Uniformen, Drill und Waffen wenig anfangen kann, war es doch faszinierend, dieser präzisen Choreographie zuzusehen.
Das umliegende Gelände ist wunderschön und bietet einiges zu bestaunen: die nationale Konzerthalle Taiwans, den mit Blumenbeeten geschmückten Ehrenboulevard, das imposante fünfbogige Dazhon-Zhizeng-Tor sowie zahlreiche Wege und Parkanlagen.
In diesen Grünanlagen treiben die Menschen Sport, treffen sich zum Picknick oder singen Karaoke. Es herrschte eine ganz besondere Mischung aus touristischer Sehenswürdigkeit und gelebtem Alltag – ein wirklich schönes Gefühl.
Ein Gedanke störte diese Idylle jedoch nachhaltig: Das gesamte Areal bis hin zum Präsidentenpalast wurde von der chinesischen Regierung in der Mongolei 1:1 nachgebaut. Dort soll das Militär Szenarien für eine mögliche Invasion in Taiwan üben. Viele Expertinnen und Experten interpretieren dieses Replikat zwar eher als psychologische Kriegsführung, doch das Wissen darum hinterließ ein mulmiges Gefühl, als wir den sonst so friedlichen Platz verließen.






Mystische Stimmung im Langshan-Tempel
Der Longshan-Tempel ist einer der ältesten Tempel Taiwans und hat im Laufe seiner Geschichte bereits zahlreiche Katastrophen überstanden. Mehrere Erdbeben, Taifune und sogar eine Fliegerbombe der alliierten Mächte konnten ihm nichts anhaben. Heute erhebt er sich mit unbeschreiblichem Prunk mitten im Herzen von Taipeh.
Schon aus der Ferne zog der Tempel unsere Blicke auf sich. Wunderschön verziert, strömten unzählige Menschen durch seine Tore – um zu beten, zu verweilen oder ihn, so wie wir, einfach zu bestaunen.
Als wir den Tempel betraten, war er voller Besucher. Einen so gut besuchten Tempel hatte ich zuvor noch nie erlebt. Und doch herrschte auf dem engen, verwinkelten Gelände eine unvergesslich schöne, beinahe magische Stimmung.
Die Menschen verteilten sich vor den Schreinen, saßen auf Treppenstufen oder bewegten sich langsam durch die Gänge. Und alle hatten eines gemeinsam: Sie sangen. Über eine Stunde lang erfüllten Lieder und Mantras den Tempel. Es war ein langsames, kräftiges und zugleich zurückhaltendes Singen. Wir verstanden kein Wort – und doch fesselten uns die fremden Klänge und die tiefe Hingabe, mit der die Menschen ihre Religion lebten.







Taipei von oben: der Elefantenberg und das Teipei 101
Den schönsten Blick auf Taiwans höchstes Gebäude hat man vom Elefantenberg. Schon nach einem kurzen Aufstieg kann man der Hektik Taipehs entfliehen. Von der Metrostation aus sind es etwa 15 Minuten bis zum Einstieg des Trails, ab dort führen unzählige Stufen auf den kleinen Gipfel.
Unterwegs laden immer wieder kleine Panoramaplätze zu Pausen ein. Von hier aus hat man einen großartigen Blick auf den Taipei 101 und die umliegenden Viertel. Entlang des Gipfels gibt es weitere Rastplätze, teils sogar mit überdachten Pavillons. Für uns war dies der perfekte Ort für ein Picknick mit unvergesslicher Aussicht.
Eine andere Perspektive auf die Stadt bietet der 508 Meter hohe Taipei 101 selbst. Nach seiner Fertigstellung war er mehrere Jahre lang das höchste Gebäude der Welt. In den unteren Etagen befindet sich zwar eine Shopping Mall mit großem Food Court – für uns weniger interessant. Spannend sind die oberen Stockwerke mit ihren Aussichtsplattformen.
Von hier oben eröffnet sich ein abwechslungsreiches Panorama: Taipeh liegt in einer gebirgigen Region, die Hügel sind dicht bewachsen und zwischen ihnen blitzen kleine Siedlungen hervor. Ein Teil der Stadt ist von modernen Hochhäusern geprägt, während andere Viertel flach, eng und von traditionellen Wohnhäusern bestimmt sind. Ein spannender Kontrast, der die Vielfalt der Stadt sichtbar macht.




Das moderne Zentrum von Taipei hat viel zu bieten: Nicht nur Bubble-Tea, Automaten-Hallen und Nudel-Küchen
Unsere kleine Wohnung lag direkt im modernen Herzen Taipehs. Kaum aus der Tür getreten, standen wir schon mitten im Trubel der Stadt. Überall pulsierte das Leben. Was mich besonders faszinierte, war der Kontrast: auf der einen Seite moderne Gebäude, auf der anderen Seite klassische Bauten, denen man ihr Alter deutlich ansah. Genau diesen Mix liebe ich.





Sobald die Dunkelheit über Taipeh hereinbrach, legte sich der bunte Schleier der typischen Neonwerbung über Gebäude und Straßen. Es war genau so, wie ich mir die ostasiatische Kultur immer vorgestellt hatte: farbenfroh, chaotisch und wild – und gleichzeitig doch wieder entspannt und geordnet. Die Stadt wirkte halbwegs sauber und strukturiert, sodass man sich sofort wohlfühlen konnte. Vielleicht war das schon ein kleiner Vorgeschmack auf Japan?
Die Überreste spektakulärer Märkte
Im Reiseführer hatte ich gelesen, dass es in Taipeh noch Märkte geben soll, auf denen Schlangenfleisch und andere Kuriositäten angeboten werden. Nicht, dass ich jemals wissentlich Schlangenfleisch oder einen gegrillten Skorpion essen würde – aber neugierig war ich trotzdem, wie solch ein Markt aussieht.
Vielleicht waren wir einfach zu früh auf dem Huaxi-Markt? Bei unserem Besuch zeigte er sich jedenfalls ziemlich unspektakulär. Ja, es gab ein paar Restaurants, die Schlangenfleisch anboten, und in einem Schaufenster lag sogar eine lebende Schlange. Aber abgesehen davon? Keine Spur von Schlangenbeschwörern oder exotischen Attraktionen, wie man sie sich vielleicht vorstellt.
Dennoch hat sich der Ausflug gelohnt. Denn unterwegs kommt man automatisch durch viele weitere spannende Straßen und entdeckt auch Tempel, die in keinem Reiseführer erwähnt werden.




Streetphotography mit der neuen RX100 VII
Natürlich war es absolut lohnenswert, mit meiner in Taipeh gekauften Kamera einfach durch die Straßen zu schlendern – nur um zu sehen (und zu fotografieren), wie die Menschen dort leben. Gefühlt wartete hinter jedem gelaufenen Meter ein neues Fotomotiv.
Taipeh ist gleichzeitig grau und grün. Einerseits gibt es unzählige Parkanlagen und begrünte Seitenstreifen entlang der Straßen. Andererseits gestalten die Bewohner ihre kleinen Gassen liebevoll selbst. Überall stehen große und kleine Blumentöpfe mit den unterschiedlichsten Pflanzen, die den Vierteln einen ganz eigenen Charme verleihen.
Ich konnte mich – wie so oft – gar nicht satt fotografieren. Besonders am Morgen, wenn die Menschen auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit waren. In der einen Hand hielten sie ihr Smartphone, in der anderen einen To-Go-Becher. Und mitten in diesem Gewusel stand ich, beobachtete und fragte mich, wohin sie wohl alle gehen. Wie mag ihr Alltag aussehen?
Genau in diesen unscheinbaren Momenten entstehen oft die schönsten Bilder.






Ein Besuch des Leica Store von Taipei
Ich weiß gar nicht wie ich darauf gekommen bin? Wahrscheinlich habe ich durch Lins Cam Shop, der Laden, in welchem ich meine neue Kamera gekauft habe, neue Motivation für die Fotografie bekommen. Es war ein wirklich ganz besonderer Laden. Hier wurde Fotografie gelebt und das hat mich irgendwie motiviert, einen Leica Store zu besuchen.
Natürlich hatte ich keinerlei Kaufabsicht, da ich mir vor wenigen Tagen eine neue – gebrauchte – Kamera für 800 EUR gekauft hatte. Im Vorfeld habe ich jedoch schon viel Positives über Leica-Läden gelesen. Wo bietet es sich mehr an einen Leica Store zu besuchen, wenn nicht in Taipei?




Die Umgebung des Leica Stores war wirklich idyllisch. Zwischen kleinen Lädchen, vielen Wohnhäusern und üppigem Grün wirkte er fast ein wenig versteckt. Auch der Store selbst war recht überschaubar: eine Handvoll Kameras, dazu eine kleine Ausstellung. Die Stimmung war entspannt – so ruhig, dass wir uns eher wie in einem kleinen Museum fühlten als in einem Geschäft.
Ohne große Umwege setzten wir unseren Besuch direkt nebenan fort – im Café. Wir wollten uns stärken und einen Tee trinken. Das Café war geschmackvoll gestaltet, mit viel Kunst an den Wänden, die man sogar kaufen konnte, und einer ansprechenden Auswahl an Speisen. Leider sprengten die Preise sowohl der Kunst als auch der Speisekarte unser Budget. Also entschieden wir uns für das Nötigste: einen Tee und ein Stück Kuchen zum Teilen. Immerhin: Das Wasser war im Preis inbegriffen.
Der Weg nach Taipei lohnt sich …
Natürlich lohnt sich ein Besuch in Taipei. Die Hauptstadt Taiwans ist wunderschön und gibt einen eindrucksvollen Einblick in das ostasiatische Großstadtleben. Sie ist modern und quirlig, zugleich aber auch leise und an manchen Ecken überraschend gemütlich. Moderne, bunt beleuchtete Fassaden stehen im Einklang mit kleinen, charmanten Häusern – in einem davon könnte man sich gut vorstellen, dass Mister Miyagi aus Karate Kid lebt und trainiert.
Das Leben auf den Straßen ist spannend. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, das uns in Europa völlig fremd ist. Schon allein deshalb hat sich der Weg hierher gelohnt.
Doch auf uns wartete noch ein ganz besonderer Roadtrip über die gesamte Insel. Aber das ist eine andere Geschichte.