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In 80 Tagen um die Welt – Zwischen Sonnenaufgang und Verschwörung: Ein Spaziergang durch Honolulu

Ich bin ein großer Freund davon, auf Reisen früh am Morgen durch mir unbekannte Orte zu laufen, die Eindrücke auf mich wirken zu lassen und Neues zu entdecken.

Es war im April 2024, und das Ende unserer Weltreise rückte mit großen Schritten näher. Dieser sonnige und angenehm warme Tag sollte unser letzter voller Tag auf diesen wunderschönen Inseln sein.

Also schnappte ich mir früh am Morgen meine Kamera und begab mich auf die Suche nach besonderen Motiven in Honolulu – und nach interessanten Geschichten.

Und was soll ich sagen? Am Ende des viel zu langen Walks kam ich tatsächlich mit einer richtig guten Story zurück.

Die Magie des frühen Morgens

Schon seit vielen Jahren nutze ich die frühen Morgenstunden auf Reisen, um mich auf die Straßen fremder Städte zu begeben – ganz gleich, ob in Santiago de Chile, in Rom oder in Delhi. Jeder Ort dieser Welt hat seine eigenen Geschichten zu erzählen, die sich oft genau dann offenbaren, wenn alles noch ruhig ist.

Ich laufe allein durch die Straßen, ohne Plan und meist ohne Zeitdruck. So habe ich die Freiheit, mich von einer Situation zur nächsten treiben zu lassen. Wenn mir etwas Spannendes begegnet, bleibe ich stehen und lasse die Szenerie auf mich wirken.

Da ich allein unterwegs bin und mit meiner kleinen Sony RX100 M7 nicht als Fotograf wahrgenommen werde, komme ich auf diesen Spaziergängen oft mit Menschen ins Gespräch und gewinne neue Perspektiven auf die mir unbekannte Stadt. Diese kleinen Touren am frühen Morgen möchte ich nicht mehr missen. Schon am Abend gehe ich mit Vorfreude ins Bett – in dem Wissen, am nächsten Morgen viel zu früh aufzustehen, um mich wieder treiben zu lassen. Für mich sind es genau diese Momente, die das wahre Reisen ausmachen.

Der letzte Morning-Walk im vermeintlichen Paradies

So kam es, dass ich an einem Sonntag Ende April 2024, noch halb schlafend, in meine Schuhe schlüpfte, mir meine Kamera schnappte und unsere Wohnung im 70er-Jahre-Vibe verließ.

Es war kurz nach sieben Uhr, als ich meinen Spaziergang begann. Da wir erst am späten Abend zuvor in Honolulu angekommen waren, hatte ich noch keinerlei Vorstellung von unserer Nachbarschaft. Also lief ich einfach los – ohne Plan, ohne Ziel. Ich ließ mich vom Gefühl der Stadt treiben und entschied an jeder Kreuzung neu, wohin ich gehen wollte. Schließlich hatte ich Zeit, bevor ich das Frühstück vorbereiten musste – und das Licht war zu dieser Uhrzeit schlichtweg magisch.

Während meines Spaziergangs kam ich durch schöne Gegenden, aber auch durch Viertel, in denen die Armut deutlich zu sehen war. Auch auf Oʻahu ist Obdachlosigkeit ein großes Thema. Ich sah Menschen, die ihre Zelte abbauten, vermutlich um im Laufe des Tages nicht von der Polizei des Platzes verwiesen zu werden. Hier, im vermeintlichen Paradies, ist eben nicht alles makellos.

Mit besonderem Interesse beobachte ich auf Reisen oft das Geschehen rund um Schulen. Auch wenn ich mir dabei manchmal ein bisschen creepy oder weird vorkomme – es fasziniert mich einfach, wie der Schulstart in anderen Ländern organisiert ist.

Später führte mich mein Weg durch ein Geschäftsviertel, in dem sich Anzugträger:innen regelrecht die Klinke in die Hand gaben.

Über Google Maps suchte ich schließlich den Rückweg zu unserer Wohnung. Dieser führte mich an einem wunderschönen Kanal entlang, auf dem Kanuten scheinbar stundenlang geradeaus trainierten.

Schon von Weitem fiel mir ein Mann auf, der sofort mein Interesse weckte.

Der Surfer-Dude mit dem kleinen Hund

Er saß auf einem erhöhten Bordstein des Gehwegs, der am Kanal entlangführte. Neben ihm: sein viel zu kleiner Hund. Mit einer Sonnenbrille auf der Nase blickte er in die morgendliche Sonne. Er wirkte vollkommen entspannt – als würde er einfach nur den Moment genießen und den Tag auf sich zukommen lassen.

Als ich näher kam, wusste ich sofort: Diesen Oldschool-Surfer mit seinem auffälligen Hemd – und im Kontrast dazu seinem winzigen Hund – muss ich fotografieren.

Ich ging freundlich auf ihn zu. Leider vergaß ich, mich vorzustellen – deshalb kenne ich bis heute nicht seinen Namen. Ich sprach ihn einfach an, lobte zuerst seinen Hund. Daraufhin fragte er mich, ob ich Urlaub auf der Insel mache.

An diesem Punkt nahm das Gespräch seinen Lauf. In den nächsten 45 Minuten unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Anfangs war unser Gespräch spannend und unterhaltsam, später stellte sich heraus, dass er eine Vorliebe für recht absurde Verschwörungserzählungen hatte.

Zunächst erzählte er mir Anekdoten darüber, wie es in den 1980er- und 1990er-Jahren auf Hawaii – besonders in Honolulu – gewesen sei. Long Story Short: Es war deutlich günstiger als heute. Seiner Meinung nach sei es inzwischen geradezu absurd teuer geworden. Kein normaler Mensch könne sich hier noch ein Hotelzimmer leisten. Früher sei er mehrfach im Jahr nach Hawaii gereist. Damals habe es Angebote gegeben: 500 Dollar für eine Woche direkt in einem Hotel am Waikiki Beach. Heute bekomme man für denselben Preis vielleicht ein Zimmer für eine Nacht. Es sei einfach verrückt geworden.

Den Schuldigen für diese Entwicklung hatte er schnell gefunden: die „woken Leute“ auf Hawaii und natürlich die damalige US-Regierung. Schon zu seiner Studienzeit – an der Westküste der USA – habe das Elend begonnen. Die „woken Studenten“ seien nur an Drogen interessiert gewesen, und heute säßen sie in Machtpositionen. Seit den 70ern hätten sie das Land systematisch ruiniert. Alles sei kaputt und teuer – in den ganzen USA. Seit ein paar Jahren, vor allem durch Obama und Biden, sei Amerika keine echte Weltmacht mehr.

Auch Corona und China seien „natürlich“ schuld. Corona – laut ihm – sowieso die größte Lüge überhaupt. Das Schlimmste: Die ganze Welt habe dieser „woken Propaganda“ geglaubt. Er sei nicht geimpft – und es gehe ihm blendend. Viele seiner „Freunde“, die sich impfen ließen, seien hingegen gestorben. Das könne doch kein Zufall sein.

Ich versuchte immer wieder, mit Rationalität und Fakten seinen Redefluss höflich zu unterbrechen. Er verwies mich dann auf diverse „Quellen“, die ich mir anschauen solle – und danach könnten wir gerne weiterreden. Ich hätte halt bisher nur die „Propagandamedien“ konsumiert, meinte er.

Trotz all dieser Differenzen war es ein unvergessliches und überraschend respektvolles Gespräch. Besonders zu Beginn erfuhr ich viel über sein Leben an der US-Westküste und seine regelmäßigen Reisen nach Hawaii. Irgendwann aber – das war spürbar – hatte er das Vertrauen in sein Land verloren.

Als ich schließlich auf die Uhr schaute, erschrak ich: Es war bereits nach neun Uhr. Bevor wir uns verabschiedeten, fragte ich ihn, ob ich ein Porträt von ihm machen dürfe. Ich sagte ihm, dass er wohl einer der Menschen sei, die mir von dieser Weltreise besonders im Gedächtnis bleiben würden. Er freute sich sichtlich über mein Interesse und genoss es, fotografiert zu werden.

So etwas erlebt man nur auf Reisen

Noch beeindruckt von dieser Begegnung und unserem Gespräch lief ich die letzten Meter zurück zu unserer Wohnung – und freute mich darüber, den Mann angesprochen zu haben.

In den folgenden Tagen musste ich immer wieder über unser Gespräch nachdenken. Was für eine besondere Begegnung. Obwohl wir inhaltlich sehr unterschiedliche Meinungen vertraten und diese auch offen äußerten, führten wir ein ausgesprochen freundliches und respektvolles Gespräch. Es war wirklich toll.

Insofern hat sich dieser frühe Spaziergang durch die Straßen von Honolulu mehr als gelohnt. Mit dieser eindrucksvollen Erfahrung im Gepäck flogen wir am nächsten Tag weiter nach New York City – unsere letzte Station dieser Weltreise.

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