
Leider neigten sich die wunderschönen Tage in der Hauptstadt Rajasthans irgendwann dem Ende zu – und es hieß: weiterreisen.
Weiterreisen bedeutet immer auch Abschied nehmen. Wir verabschiedeten uns von unseren neuen Freunden, von den Angestellten und von Shubam. Neben vielen unvergesslichen Momenten nahmen wir die Erkenntnis mit, dass wir in Zukunft versuchen wollen, so selbstbestimmt wie möglich zu reisen. Und dass man fast überall ein vertrautes Zuhause finden kann – solange man von den richtigen Menschen umgeben ist.
Denn genau das war Shubams Homestay für uns: ein vertrautes Heim.
Er organisierte uns noch einen günstigen Transfer nach Agra. Zufälligerweise wollten auch die beiden Französinnen, die erst am Vortag angekommen waren, dorthin weiterreisen. So konnten wir uns die Kosten teilen – und verbrachten zugleich einen richtig schönen Tag mit ihnen.
Kultur-Schock im Brokkoli Homestay
Nach einer recht angenehmen – aber dennoch langen – Fahrt erreichten wir am Abend Agra. Unser Homestay war schnell gefunden, und der erste Eindruck hätte besser kaum sein können. Das junge Pärchen, bei dem wir untergekommen sind, lebte in einer modernen Wohnung, sprach sehr gutes Englisch – und lud uns sofort auf einen Tee ein.





Wir saßen gemeinsam auf ihrer Couch, unterhielten uns und tauschten uns aus. Das war schön, denn so bekamen wir einen kleinen Einblick in ihr Leben.
Es war deutlich zu erkennen, dass die beiden aus einem sehr privilegierten Elternhaus stammen. Wie in Indien üblich, hatten sie in jungen Jahren geheiratet, danach eine gute Ausbildung genossen – und ihr aktueller Job bestand nun darin, drei Zimmer ihrer Wohnung an Reisende zu vermieten.
Allerdings waren wir vom familiären Homestay in Jaipur ziemlich verwöhnt. Dort war für einen fairen Preis wirklich alles inklusive. Shubam betonte immer wieder, dass man in einer Familie schließlich auch nichts zahlen würde. Wenn wir etwas geben wollten, dann direkt als Trinkgeld an die Angestellten. Es spielte keine Rolle, wie viele Tees wir tranken oder ob wir uns nach dem Abendessen noch einen Toast in der Küche machten – er wollte niemals zusätzliches Geld sehen.


Ganz anders war es im „Brokkoli-Homestay“. Hier zahlten wir für alles. Das war absolut in Ordnung – wir wussten es nur vorher nicht. Jeder Tee, jedes Abendessen (bei dem wir uns zunächst eher wie eingeladen fühlten) und sogar der abendliche Ausflug zum Taj Mahal standen auf der Rechnung.
Der Host fragte uns, ob wir mit ihm dorthin fahren wollten, um den Sonnenuntergang zu sehen. Für uns klang es so, als müsse er ohnehin hin und wir könnten einfach mitfahren.
Rückblickend war der Ausflug aber großartig. Wir sahen das Taj Mahal zum ersten Mal, kamen mit unserem Host ins Gespräch und fuhren bequem in einem asiatischen Oberklasse-SUV zum wohl berühmtesten Bauwerk Indiens.
Brokkoli Homestay? Aber warum?
Am Nachmittag lernten wir Eugen aus Deutschland kennen. Eugen war ein Solo-Traveller, etwa 50 Jahre alt – und ein echter Typ. Wir hörten gespannt seinen abenteuerlichen Geschichten aus früheren Indienreisen zu. Er war schon mit dem Motorrad im Norden des Landes unterwegs, hatte sich dort die Hüfte gebrochen, musste notoperiert werden, wurde anschließend nach Deutschland ausgeflogen und dort noch einmal operiert. Es folgten eine lange Reha – und viele weitere kleine Abenteuer.
Nun war er wieder in Indien – und hatte sich gerade frisch das Knie verdreht.
Unser Host riet ihm lachend, einfach etwas Marihuana zu rauchen – das helfe fast immer. Falls nicht, könne seine Frau ihm eine Klangmassage geben, und bald würde es schon besser gehen.
Und so nahm der Abend seinen Lauf. Es wurde gekifft und gelacht, später kam noch ein Freund der Hosts dazu. Gemeinsam machten sie Musik, rauchten – und kifften weiter. Es war eine seltsame Atmosphäre. Eugen war sofort mittendrin und lebte voll auf.
Wir hingegen genossen nüchtern die Musik, beobachteten das Geschehen – und zogen uns schließlich mit gemischten Gefühlen in unser Zimmer zurück.
Atemberaubend und doch irgendwie ernüchternd: das Taj Mahal
Das Taj Mahal in Agra ist ein prachtvolles Mausoleum aus weißem Marmor, das Kaiser Shah Jahan im 17. Jahrhundert als Liebeserklärung an seine Frau Mumtaz Mahal errichten ließ. Mit seiner beeindruckenden Architektur und den filigranen Verzierungen gehört es zum UNESCO-Weltkulturerbe – ein magischer Ort, besonders bei Sonnenauf- oder -untergang, wenn das Licht den Marmor sanft einfärbt.
Wir haben es zwar nicht geschafft, zum Sonnenaufgang dort zu sein, aber auch später am Tag war das Licht wunderschön. Man muss sich ohnehin darauf einstellen, dass es – egal zu welcher Uhrzeit – viele Besucher gibt.
Zum Glück ist das Gelände groß, sodass sich die Menschen ein wenig verteilen. Ich bin mir sicher: Jeder findet dort einen Platz, von dem aus man das Taj Mahal in Ruhe bestaunen kann.
Viel mehr gibt es auf dem Gelände allerdings nicht zu erleben – außer eben dieses atemberaubende Mausoleum. Man spaziert durch die Parkanlage, schaut sich die Gebäude an – und das war’s.
Vor den Toren warten zahlreiche Händler, die ihren Teil vom großen Tourismus-Kuchen abhaben wollen: Restaurants, Souvenirshops, sogar Fast-Food-Läden. Ich vermute, dass es hier im Laufe des Tages richtig voll wird – früh am Morgen war es aber noch absolut aushaltbar.
Lohnt sich der Weg zum Taj Mahal?
Auf jeden Fall: Das Taj Mahal ist auf seine Art einzigartig. Auch wenn die historische Bedeutung des Gebäudes eher überschaubar ist.
Es ist schlicht ein wunderschönes Mausoleum – das gern die Strahlkraft eines bedeutenden Tempels hätte. Die Touristen strömen in Massen auf das Gelände und sind vor allem glücklich, überhaupt hier zu sein.
Von Agra selbst haben wir leider nicht viel gesehen. Das Viertel unseres Homestays war ziemlich unspektakulär. Ich vermute, dass die Stadtteile, in denen das „normale“ Leben spielt, deutlich interessanter sind.





Ansonsten möchte ich den Aufenthalt im „Brokkoli Homestay“ unter keinen Umständen missen. Gern hätte ich mit Eugen noch die Kontaktdaten ausgetauscht – ich wüsste zu gern, wie seine Indienreise weiterging und welche Abenteuer er als Nächstes erlebt. Er war wirklich ein klasse Typ!
Wie du lesen kannst: Der Weg nach Agra – und zum Taj Mahal – lohnt sich auf jeden Fall.
