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In 80 Tagen um die Welt – Okinawa-Roadtrip: Karate, ein historisches Haus, alte Seelen und ein Wal

Natürlich wollten wir nicht nur die Stadt Naha entdecken, sondern auch die ganze Insel Okinawa. Für diesen Ausflug mieteten wir ein Auto und fuhren an nur einem Tag von Naha bis zum nördlichsten Punkt der Insel – und wieder zurück.

Dieser Tag war voller Erlebnisse: Wir sahen wunderschöne Landschaften, tauchten in die Kultur Okinawas ein und hatten sogar das Glück, einen Buckelwal mit eigenen Augen zu sehen.

Auf solch einem kleinen Roadtrip durchquert man viele verschiedene Regionen und bekommt einen guten Eindruck davon, wie die Menschen auf der Insel leben. Eines kann ich vorwegnehmen: Es gab wirklich eine Menge zu entdecken.

Wie ich den Karate-Kämpfer Usk auf der Festung von Nakagusuku traf …

… ihn fotografierte und mit ihm über Karate sprach.

Bevor es jedoch zu dieser netten Begegnung kam, fange ich am besten von vorn an. Die Nakagusuku-Festung besuchten wir nämlich nicht am Tag unseres Roadtrips. Sie liegt zwar auf der Route, aber würde ich die Fahrt bis zur nördlichsten Spitze Okinawas noch einmal unternehmen, würde ich diesmal gleich zuerst an der Festung von Nakagusuku Halt machen.

Wir fuhren also auf den Parkplatz der Festung, und schon dort fiel mir Usk auf. Mit Bedacht zog er seinen Karate-Anzug an, nahm seinen Stock und ging in Richtung Eingang. Allein diese Szene, die ich aus dem Auto beobachtete, war für mich ein Moment voller Japan-Punkte. Wie verrückt kann dieses Land eigentlich sein? Ich sah einen japanischen Karate-Kämpfer – in der Geburtsregion dieser Kampfkunst. Für mich war sofort klar: Mit diesem Mann musste ich unbedingt ins Gespräch kommen – und ihn natürlich fotografieren.

Als wir unsere sieben Sachen gepackt hatten, folgten wir seinen Schritten und schauten uns ebenfalls die Festung an.

Die Festung von Nakagusuku zählt zu den beeindruckendsten Burgruinen Okinawas und ist ein bedeutendes Relikt der Ryūkyū-Dynastie. Sie wurde im 15. Jahrhundert unter dem lokalen Herrscher Gosamaru erbaut und diente als strategische Verteidigungsanlage gegen rivalisierende Fürstentümer. Die geschwungenen Steinmauern, meisterhaft ohne Mörtel errichtet, zeugen noch heute von der hohen Baukunst jener Zeit. Während des Zweiten Weltkriegs nutzte die japanische Armee die Anlage als Beobachtungsposten, doch die Kämpfe hinterließen schwere Schäden. Heute gehört Nakagusuku zum UNESCO-Weltkulturerbe und bietet mit seinen Ruinen und der spektakulären Aussicht einen faszinierenden Einblick in die bewegte Geschichte Okinawas.

Nach und nach liefen wir durch die Anlage der Festung, bis sich schließlich für mich die Gelegenheit ergab, mit Usk ins Gespräch zu kommen. Ich bat ihn um ein Foto, und natürlich willigte er ein. Dabei kamen wir ins Plaudern. Ich erzählte ihm von meiner Zeit als Karate-Schüler in Deutschland, und wir waren beide erfreut, als sich herausstellte, dass wir zwei Shotokan-Karateka sind – auch wenn er seit vielen Jahren trainiert und ich vor (nun ja) fast 20 Jahren aufgehört habe. Trotzdem spürten wir sofort eine Verbindung und waren uns sympathisch.

Wir unterhielten uns eine ganze Weile, und er führte mir sogar ein paar Katas vor. Ich wiederum nutzte die Gelegenheit, um ihn dabei zu fotografieren. Nachdem wir die Bilder zusammen angesehen und unsere Instagram-Kontakte ausgetauscht hatten, verabschiedeten wir uns voneinander.

Das Schöne an dieser Begegnung ist, dass ich noch heute regelmäßig mit ihm in Kontakt stehe. Bald werde ich ihn nach seiner Adresse fragen, denn auf meinem Schreibtisch liegen einige Abzüge seiner Porträts, die ich gern nach Japan – genauer gesagt nach Okinawa – schicken möchte. Und wer weiß: Vielleicht begegnen wir uns eines Tages tatsächlich noch einmal in diesem Leben.

Die Nakamura Residence und die nette Frau, die uns die Geschichte der Shisa Statuen erzählte

Diese Sehenswürdigkeit haben wir uns zwar an einem anderen Tag angesehen, man hätte die Nakamura Residence aber durchaus mit einem Roadtrip in den hohen Norden Okinawas verbinden können.

Die Nakamura Residence ist ein beeindruckendes Beispiel traditioneller Ryūkyū-Architektur und vermittelt einen Einblick in das Leben wohlhabender Bauernfamilien im 18. Jahrhundert. Das Haus, umgeben von einer Steinmauer und üppigem Grün, besticht durch sein rotes Ziegeldach, hölzerne Schiebetüren und eine clevere Bauweise, die es vor Taifunen schützt. Beim Betreten fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt – ein stiller Ort, an dem die Geschichte und Kultur Okinawas lebendig werden.

In diesem Freilicht-Museum hätte ich nur allzu gern noch mehr Zeit verbracht. Es war wunderschön. Die vielen kleinen Räume, der idyllische Innenhof und der inspirierende Garten machten es wirklich leicht, die Zeit zu vergessen und ins Träumen zu geraten. Vielleicht hätte ich hier sogar mein erstes Buch geschrieben?

Im Souvenirshop unterhielten wir uns eine Weile mit der überaus netten Verkäuferin. Sie hörte uns interessiert zu, als wir von unserer Reise erzählten, und wollte einiges über Deutschland wissen. In solchen Momenten bin ich nach der Verabschiedung immer ein wenig melancholisch – traurig darüber, dass wir diesen freundlichen Menschen wahrscheinlich nie wiedersehen werden. Wir werden nicht erfahren, wann es ihr gut geht, ob sie Hilfe braucht oder wie sie ihren Alltag erlebt. Für einen kurzen Augenblick war sie Teil unseres Lebens, und genau das stimmt mich nachdenklich. Vielleicht ist gerade dieses Kommen und Gehen von Begegnungen eine der wichtigsten Perspektiven des Reisens?

Wer weiß. Diese freundliche und zuvorkommende Frau wird uns jedenfalls noch lange in Erinnerung bleiben. In ihrem kleinen Shop kauften wir schließlich handgemachte Shisa.

Auf Okinawa wachen vor vielen Häusern zwei löwenähnliche Statuen – die Shisa. Sie stammen aus der chinesischen Mythologie und sollen das Haus beschützen. Einer hält den Mund offen, um böse Geister zu vertreiben, der andere geschlossen, um Glück und positive Energie zu bewahren. Früher galten sie als Zeichen von Wohlstand, heute sind sie ein fester Bestandteil der Okinawa-Kultur. Ob kunstvoll oder kitschig – Shisa sind die unermüdlichen Wächter der Insel.

Als uns die Verkäuferin diese nette Geschichte erzählte, mussten wir natürlich zwei dieser sympathischen Beschützer für unsere Wohnung kaufen. Seitdem leben die kleinen Löwen bei uns und verleihen unserer Wohnung einen Hauch von Okinawa-Charme. Gleichzeitig sind sie ein schönes Souvenir, das uns immer an die freundliche Frau im Souvenirshop der Nakamura Residence erinnert.

Auf dem Weg zu einigen der ältesten Menschen der Welt

Im Norden von Okinawa liegt Ogimi, ein kleines Dorf, das als eine der berühmten „Blue Zones“ der Welt gilt – Orte, an denen Menschen besonders alt werden. Hier scheint die Zeit langsamer zu vergehen: Die Bewohner führen ein aktives Leben, ernähren sich gesund und pflegen enge soziale Bindungen. Mit seiner entspannten Atmosphäre und den faszinierenden Geschichten über Langlebigkeit ist Ogimi ein inspirierendes Reiseziel für alle, die dem Geheimnis eines langen Lebens auf die Spur kommen wollen.

Ja, so schön hätte es werden können. Aber in diesem Ort sind wir keinem einzigen Menschen begegnet. Dennoch war es spannend zu sehen, wie die Menschen auf dem Land leben, in welchen Häusern sie wohnen und wie sie zum Beispiel ihre Gärten gestalten.

Wir spazierten durch das kleine Dorf und unternahmen eine kurze Wanderung zu einem Aussichtspunkt. Doch auch dort sahen wir niemanden.

Natürlich muss man auch sagen: Die „Blue Zone“ bezieht sich vor allem auf die ältere Generation. Die heutige Bevölkerung lebt ebenfalls deutlich ungesünder als die Generationen vor ihr.

Abenteuer am Kap Hedo – Nördlicher geht es nicht und wal’iger wird es nicht mehr

Nachdem wir uns Ogimi angesehen hatten, fuhren wir weiter die Westküste entlang in Richtung Norden. Unser Ziel: das Kap Hedo.

Kap Hedo ist der nördlichste Punkt Okinawas und bietet atemberaubende Ausblicke auf das endlose Blau des Ostchinesischen Meeres. Rau und ungezähmt ragen die Klippen in den Himmel, während die Wellen spektakulär an den Felsen brechen. An klaren Tagen reicht der Blick sogar bis zur Nachbarinsel Yoron.

Auch hier unternahmen wir einen kleinen Hike. Es war ein Donnerstag im April – und genau deshalb klingelte mein Handy: Jeden Donnerstag telefoniere ich mit meinem besten Freund. Für ein paar Minuten werten wir gemeinsam die Woche aus. Ein wunderschönes Ritual, das wir nun schon seit gut fünf Jahren pflegen.

Wie ich schon schrieb, waren wir an einem Donnerstag am Kap Hedo. Also nahm ich das Gespräch an und sprach rund 30 Minuten mit meinem besten Freund, der sich am anderen Ende der Welt – in Deutschland – befand. Während sein Tag gerade begann, neigte sich unserer schon dem Ende zu. Ich blickte auf den Ozean, lauschte seiner vertrauten Stimme und hörte gespannt die Neuigkeiten aus der Heimat.

Plötzlich stand ich auf und schilderte ihm, was ich vor Augen hatte: Direkt vor uns spielte ein Buckelwal im Wasser. Er sprang, drehte sich, wiederholte seine Kunststücke sicher zehn Minuten lang, bevor er schließlich in den Weiten des Ostchinesischen Meeres verschwand.

Ich klemmte mein Smartphone zwischen Ohr und Schulter, um während des Telefonats fotografieren zu können, und rief parallel meine Freundin herbei – damit auch sie dieses einzigartige Naturschauspiel nicht verpasste.

So habe ich am nördlichsten Punkt der Insel Okinawa meinen ersten Wal gesehen. Ein wunderschöner Anblick. Die Abendsonne tauchte Landschaft und Wasser in sanfte Farben, der Naturpark war nahezu menschenleer. Es gab nur uns, die Stille, den Wal – und meinen besten Freund am anderen Ende der Welt.

Ein Moment, einfach wunderschön.

Ein ereignisreicher Tag wird mit Root Beer und einem Burger beendet …

Zu jedem guten Roadtrip gehört ein Burger – oder vielleicht sogar zwei.

Naja, eigentlich sollte das nicht so sein. Zumal wir uns in einer Blue Zone befanden, wo gesunde Ernährung eigentlich oberste Maxime sein sollte.

Auf Okinawa ist die amerikanische Kultur besonders präsent. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Insel unter amerikanischer Verwaltung und war bis 1972 sogar US-Territorium. Diese lange Präsenz hat tiefe Spuren hinterlassen – sowohl im Alltag als auch in der Gastronomie. Besonders auffällig sind die vielen A&W-Burgerhäuser. 1963 eröffnete die Kette auf Okinawa ihren ersten internationalen Standort. Bekannt für Root Beer und klassische Burger, wurde sie zu einem Symbol des westlichen Einflusses – und ist bis heute in vielen Städten der Insel ein beliebter Anlaufpunkt.

Und so war A&W auch für uns ein bevorzugter Anlaufpunkt, um den Tag bei einem leckeren Abendessen ausklingen zu lassen. Es gab saftige Burger, knackige Fritten und natürlich Root Beer. Dieses Getränk schmeckt wie eine Mischung aus Almdudler und Cola und wird in einem großen Bierglas mit einer Kugel Eis und Sahne serviert. Mehr Kalorien kann man in einem Getränk wohl kaum unterbringen.

Aber egal – wahrscheinlich werde ich in Zukunft nicht oft die Gelegenheit haben, bei A&W ein Root Beer zu trinken. Von daher darf man das getrost als legitime Ausnahme betrachten. Die Stimmung in den Läden war großartig: Sie waren meist gut besucht, es wurde lautstark japanisch gesprochen, gelacht – und natürlich Burger gegessen.

Dies war ein perfekter Abschluss eines sehr schönen Roadtrip-Tages. Wir bekamen einen guten Überblick über die Kultur Okinawas, sahen wunderschöne Natur, verbrachten Zeit mit einem Wal und lernten neben einer netten Frau sogar einen japanischen Karate-Kämpfer kennen.

Von daher hat sich der ganze Aufwand gelohnt – von der Beantragung der Führerscheinübersetzung über die Suche nach einem Mietwagenunternehmen bis hinauf in den hohen Norden der Insel. Und nicht zu vergessen: A&W Burger. Schon allein dafür hat sich der Weg um die halbe Welt nach Okinawa gelohnt.

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