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In 80 Tagen in die Welt – Unterwegs auf dem Golden Triangle in Indien – Teil 1: Mit Babu quer durch Delhi

Indien. Was verbinde ich mit diesem Land? Abenteuer, Himalaya, Bergsteigen, Meditation, Spiritualität, Räucherkerzen, Butter Chicken – aber auch Armut und Kontraste, die wir als Europäer, und noch mehr als Deutsche, oft ungern sehen.

So oder so ähnlich waren meine Gedanken, wenn ich an Indien dachte. Meine Erwartungen an unsere Reise waren insgesamt positiv. Dennoch waren wir angespannt, denn wirklich jede*r Reisende hatte uns vorab gesagt: Indien ist besonders. Im positiven wie im negativen Sinne.

Rückblickend war genau dieser Satz die Überschrift unserer Reise. Wir hatten überaus positive, unvergessliche Erlebnisse. Gleichzeitig erlebten wir zum ersten Mal auch echte „Bad Vibes“ beim Reisen. Trotzdem überwogen die schönen Momente, die unsere Zeit in Indien geprägt haben.

Bevor es auf die nächste Indienreise geht, möchte ich ein paar Anekdoten von unserem Stopover während unserer Weltreise teilen. Einige Geschichten erzähle ich hier, andere in späteren Blogposts – und manche bleiben vielleicht für immer unerzählt.

Namaste Delhi – Die Hauptstadt Indiens begrüßt uns

Eigentlich ist unser Abflug aus Saudi-Arabien fast erwähnenswerter als unsere Ankunft in der Millionenstadt Delhi. Wir hatten uns schon auf den modernen Flughafen von Jeddah gefreut, denn wir hatten uns wirklich günstige Business-Class-Tickets bei Air India gebucht.

Es sollte ein Nachtflug werden. Den Abend hätten wir ohnehin am Flughafen verbracht – also warum nicht in einer schicken Lounge, bevor man gut ausgeruht ins Flugzeug steigt, elf Kilometer über dem Meeresspiegel einschläft und erholt in Indien ankommt?

Doch wir wussten nicht, dass das Air-India-Terminal des Flughafens von Jeddah in keiner Weise etwas mit dem neuen, modernen Airport zu tun hat. Air India – und einige andere Airlines mit Ziel Indien – blieben schlicht im alten Terminal zurück oder durften bisher nicht umziehen.

Vielleicht ist das eine kleine, aber sehr deutliche Form von Diskriminierung gegenüber Indien, die man leider häufiger spürt: Das Land und seine Menschen werden oft nicht ganz ernst genommen. Zumindest habe ich diesen Eindruck schon in verschiedenen Gesprächen mit Nicht-Indern gewonnen.

Wie auch immer – unser tolles Ticket hatten wir, eine Lounge gab es auch. Was sollte also schiefgehen?

Nachdem wir mit unserem supernetten Uber-Fahrer sogar noch Instagram-Handles ausgetauscht hatten, brachte er uns zum Flughafen. Zum Abschied meinte er nur: „Passt bitte auf euch auf!“ und fügte hinzu, dass er selbst niemals nach Indien reisen würde.

Als wir dann das Terminal betraten, verstanden wir plötzlich seine Worte – auch wenn wir es gar nicht wahrhaben wollten. Der gesamte Bereich war überfüllt: überall Menschen, dazwischen stapelweise Gepäckstücke und Kartons voller Wasser. Von der modernen Leichtigkeit eines internationalen Flughafens war hier nichts zu spüren – eher Chaos, Hitze und Enge.

Was hat es mit diesen – anscheinend überaus beliebten – Wasserkartons auf sich?

Wie wir alle wissen, gibt es in Indien – relativ gesehen – nur wenige Muslime. Absolut gesehen sind es jedoch so viele, dass sie auf Flughäfen wie in Jeddah oder auch in Teilen von Delhi zumindest ein kleines Chaos verursachen können. Dieses Chaos entsteht dann, wenn Reisende versuchen, ihre Wasserkartons zu finden, zu sortieren – und sich durchaus beherzt darüber streiten, wem welche Kiste nun gehört.

Aber woher kommt dieses Wasser eigentlich? Es stammt aus einem Brunnen, der auf den Namen Zamzam hören würde – sofern er denn hören könnte. Dieser Brunnen befindet sich in der Heiligen Moschee von Mekka. Nun wird klar: Es handelt sich nicht um gewöhnliches Wasser, sondern um heiliges Wasser. Genau dieses besondere Gut sorgt dafür, dass es an den Flughäfen hoch hergeht – und die Gläubigen in Sachen Resilienz auf eine harte Probe stellt.

Check-In in Saudi-Arabien auf indisch

Schon in Jeddah wurden die Wasserkartons hektisch hin und her getragen. Quer durch das Terminal wurde gerufen, wem welcher Karton gehört und dass der- oder diejenige ihn endlich mitnehmen soll. Verstehen konnte ich zwar nichts, aber anhand meiner Indisch-Skills – die sich auf die Namen der ersten zehn Gerichte der Speisekarte meines Lieblings-Inders in Deutschland beschränken – konnte ich mir den groben Gesprächsverlauf zusammenreimen.

Wir suchten uns eine ruhige Ecke, in der wir mit ein paar entspannten Indern und Inderinnen warteten, um uns mental auf den Check-in vorzubereiten. Doch auch dort holte uns das Chaos schnell wieder ein.

Am Schalter erlebten wir indische Reisende in Höchstform: Während wir gerade bedient wurden, versuchte der Mann hinter uns parallel, etwas mit dem Angestellten zu klären. Er schob seine Pässe zwischen uns auf den Tisch, bugsierte anschließend noch seine Frau an uns vorbei – und dachte wohl, das würde schon irgendwie funktionieren. Wie so oft im Leben sollte das eigentlich mit Tränen enden … Quatsch, natürlich nicht. Der Angestellte stellte die Szene mit einem rauen Tonfall klar, und das kleine Chaos war in Sekunden vorbei.

Entspannen in der Lounge auf dem Flughafen von Jeddah / Air India Terminal

Am Check-in erhielten wir tatsächlich unseren Voucher für die Lounge – und durften sie natürlich auch betreten. Am Eingang erwartete uns gleich eine kleine Überraschung: Der freundliche Angestellte begrüßte uns auf Deutsch. Er hatte uns zuvor miteinander sprechen hören und nutzte sofort die Gelegenheit, seine Deutschkenntnisse anzuwenden. Für uns war das ein schöner Moment, denn wir hatten schon eine ganze Weile mit niemandem außer uns selbst Deutsch gesprochen. Und für ihn war es offensichtlich ebenso eine Freude, seine Sprachkenntnisse einzusetzen.

Die Lounge selbst war übersichtlich, aber angenehm ruhig. Damit waren wir schon zufrieden. Sie war mäßig sauber, das Essen mäßig gut – aber es gab ein paar Getränke und solide Snacks. Vor allem konnten wir uns an einen Tisch setzen, unsere Geräte laden und entspannt auf den Flug einstimmen.

Zu früh gefreut oder in Indien ticken die Uhren langsamer

Als wir die Lounge verließen und zu unserem Gate liefen, waren wir mehr als froh, die Wartezeit zuvor in der fast menschenleeren Lounge verbracht zu haben – denn hier war es nun richtig voll. Aber gut, jetzt ging es zu unserem Airbus A320.

Die Maschine von Air India sah von außen wunderschön aus: jedes Fenster verziert, der Schriftzug ein echtes Sinnbild für Indien. In der kleinen Business Class nahmen wir unsere Plätze ein. Die Sitze waren zwar alles andere als in gutem Zustand, aber wir hatten genügend Beinfreiheit und saßen nebeneinander – wunderbar. Umbaubare Betten waren es nicht, doch für diesen Nachtflug brauchten wir das ohnehin nicht unbedingt.

Nachdem wir unsere Rucksäcke verstaut und Kopfhörer sowie Buch griffbereit hatten, hätte es eigentlich losgehen können. Hätte … ging es aber nicht.

Zehn Minuten nach abgeschlossenem Boarding meldete sich der Pilot: Es gebe technische Probleme am A320, mit denen man besser nicht starten sollte. Eine weise Entscheidung – danke für die Voraussicht des Piloten! Weitere zehn Minuten später erklärte er, dass er das Problem nicht selbst lösen könne, aber die Ingenieure des Flughafens ihr Bestes versuchen würden. In den folgenden 40 Minuten hörten wir noch einige Durchsagen, die eher nach „heute fliegen wir wohl nicht mehr“ klangen – bis schließlich die erlösende Nachricht kam: Das Problem sei behoben, die Startprozedur könne beginnen.

Der Flug selbst war unspektakulär. Der Service war freundlich, manchmal fast zu freundlich – zumindest im Vergleich zu unseren indischen Mitreisenden. Gefühlt gab sich die Crew bei uns weißen Touristen deutlich mehr Mühe. Das Essen war trotz des herzlichen Service nur mittelmäßig, dafür war der Schlaf erstaunlich gut.

In den frühen Morgenstunden landeten wir in Neu-Delhi. Die Passkontrolle verlief überraschend schnell, und schon bald standen wir am Kofferband – mit einem Lächeln im Gesicht, während wir das wilde Wassersortieren beobachteten. Es wurde geschrien, laut gerufen, Kartons wurden hin- und wieder zurückgetragen. Selbsternannte Streitschlichter versuchten, die Gemüter zu beruhigen. Nach und nach lichtete sich das Chaos, und die Wasserkartons wurden weniger.

Wir standen jedoch auch nach 40 Minuten noch immer am Band – ohne unsere Rucksäcke. Gedanklich hatten wir uns schon von unserem Gepäck verabschiedet, als ich es schließlich in einer Ecke entdeckte. Wahrscheinlich hatte sich auch hier ein „selbsternannter Organisator“ eingeschaltet, diesmal in der Rolle eines Kofferträgers, und unsere Rucksäcke kurzerhand vom Band genommen. Wie auch immer – nichts war verschwunden, und wir konnten erleichtert mit unserem Gepäck den Flughafen verlassen.

Jetzt waren wir gespannt: Wie würde uns das „wahre Indien“ begrüßen?

Mit dem Uber in das Zentrum von Delhi

Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als wir den klimatisierten Flughafen verließen und endlich die indische Luft spürten.

Es war wunderschön: frische Luft, angenehm kühle Temperaturen im Vergleich zur schwülen Hitze von Jeddah, und ein sanftes Morgenlicht, das die Szenerie friedlich erscheinen ließ. Doch diese Idylle hielt nicht lange an. Schon bald versammelte sich eine Horde von Uber- und Taxifahrern um uns. Ihr Trick: Sie hielten ein Uber-Schild hoch, wollten uns aber ohne App mitnehmen – die Fahrt könne man ja „unterwegs“ starten, wichtig sei nur, erst einmal den Flughafen zu verlassen. Wir mussten mehrfach, teils sehr bestimmt, ablehnen.

Nach ein paar Minuten fanden wir schließlich einen netten Fahrer – der sich allerdings wohl illegal in die inoffizielle Uber-Warteschlange gedrängelt hatte und damit vermutlich den Zorn der anderen Fahrer auf sich zog. Wer weiß?

Die Fahrt selbst war angenehm. Doch je näher wir dem Zentrum von Delhi kamen, desto intensiver wurde die Szenerie: hupende Autos, wild manövrierende Tuktuks, dichtes Gedränge auf den Straßen. Wir sahen Armut und Wohlstand nebeneinander, Menschen, die an jedem Ort ihr Leben lebten. Vom ersten Moment an war ich fasziniert.

Angekommen im Hotel: Ein Fenster wäre schön gewesen

Kaum hatten wir unser Hotel betreten, wurde auch schon um unser Geld geworben. Der Manager versuchte – noch bevor wir überhaupt unser Zimmer sahen – uns eine Tour aufzuschwatzen. Anfangs wirkte er noch recht freundlich, doch je mehr er merkte, dass wir kein Interesse an einer vorgebuchten Tour hatten, desto giftiger wurde sein Ton. Was er nicht wusste: Er hätte uns vermutlich nur etwas länger bequatschen müssen … aber dazu später mehr.

Vermutlich wegen dieses eher frostigen Gesprächs erhielten wir ein kleines „Downgrade“. Unser Zimmer hatte zwar Vorhänge – doch dahinter verbarg sich kein Fenster. Also ließen wir die Vorhänge lieber gleich zugezogen.

Der einzige Vorteil dieses fensterlosen Zimmers: Es war angenehm ruhig. Der Nachteil: Die Luft war miserabel. Es fühlte sich an, als wäre seit Jahrzehnten kein einziges Mal gelüftet worden.

Nun geht es endlich unter die Menschen, aber irgendwie auch doch nicht

Was soll’s. Wir hatten ohnehin nicht vor, viel Zeit im Hotelzimmer zu verbringen – also brauchten wir auch kein Fenster.

Der Hotelmanager hatte sich inzwischen ein neues Ziel gesetzt: uns Angst machen. Vielleicht hoffte er, dass wir uns mit etwas Panik doch noch für seine Touren entscheiden würden. Delhi sei gefährlich, kriminell, wir würden garantiert überfallen und betrogen werden. Ohne Guide sei es schlicht unmöglich, die Stadt zu erkunden.

Wie auch immer – wir wollten nur noch raus. Vor dem Hotel fanden wir auch direkt einen netten Tuktuk-Fahrer, der uns ins Zentrum bringen sollte. So dachten wir zumindest. Stattdessen erzählte er uns, dass dort gerade Demonstrationen stattfinden würden und es lebensgefährlich sei, jetzt durch die Innenstadt zu spazieren.

Anhalten wollte er nicht, egal wie oft wir es verlangten. Am Ende setzte er uns bei einer Tourist Agency ab – mit dem Hinweis, wir sollten uns dort erst einmal eine „kostenlose Map“ besorgen.

So naiv wie wir waren, gingen wir hinein. Schon nach wenigen Minuten wurde klar: Karten gab es hier keine. Dafür jede Menge Angebote für „maßgeschneiderte Mehrtagestouren“.

Dieser hinterlistige Tuktuk-Fahrer!

Fassen wir zusammen:

  • Die Uber-Fahrer am Flughafen, die versuchten uns ohne Uber-App zu transportieren.
  • Der Hotelmanager, der uns recht beherzt eine Tour aufschwatzen wollte.
  • Der Tuktuk-Fahrer, der uns nicht zu unserem Ziel fahren wollte, uns belog, uns an ein anderes Ziel fuhr und dafür noch Geld wollte.
  • Das Tourist-Agency, welche uns ebenfalls sofort eine Tour verkaufen wollte.

Wir waren den „Gefahren“ erfolgreich entkommen und hatten uns nichts aufschwatzen lassen. Zu diesem Zeitpunkt standen wir also schon bei 4:0 gegen die Inder – und fühlten uns wie echte Backpacker. Uns schwatzt niemand etwas auf, dachten wir.

Lichtblicke durch eine nette Bekanntschaft in einem der wenigen Parks in Delhis Zentrum

Nach ein paar Gehminuten trafen wir in einem Park den ersten wirklich netten Inder. Vielleicht lag es daran, dass er der erste Mensch war, der nicht versuchte, an uns Touristen Geld zu verdienen. Er hatte einen festen Job, sprach gutes Englisch und zeigte ehrliches Interesse an uns.

Er klärte uns ein wenig über die typischen Machenschaften gegenüber Touristen auf, gab uns eine kleine Einführung in die indische Kultur – und langsam gewannen wir wieder Vertrauen in die Stadt und in ihre Menschen. Nach ungefähr einer Stunde trennten sich unsere Wege, und wir schlenderten entspannt weiter durch die Straßen.

Zum Abschied gab er uns noch einen Tipp, wo und wie wir Züge selbst buchen könnten. Das sei zwar gar nicht so einfach, aber durchaus möglich. Diesem Hinweis folgend, betraten wir – voller Hoffnung – das nächste Touristenbüro.

Der Endgegner – die zweite Tourist Agency? Können wir den Satzball abwehren?

Hier sollte Indien allerdings zum Matchball ausholen – und ihn gnadenlos verwandeln. Eigentlich wollten wir nur ein paar Zugtickets kaufen, doch am Ende ließen wir unsere Kreditkarte glühen. Auch dieser Mitarbeiter redete unermüdlich auf uns ein, und irgendwann wurden wir schwach. Wir gaben nach und dachten uns: Ach, so eine private Tour kann doch gar nicht so schlecht sein.

Wenige Minuten später zog ich die Kreditkarte durch das Lesegerät. Just in Time zeigte mein Smartphone an, dass 600 Euro abgebucht wurden. All inclusive: privater Fahrer, Eintrittsgelder und eine zweitägige Stadtführung durch Delhi.

Eigentlich entspricht diese Art des Reisens überhaupt nicht meiner Vorstellung vom Entdecken eines fremden Landes. Aber wir waren einfach fertig. Delhi war anstrengend, und die vielen Menschen, die uns unbedingt etwas verkaufen wollten, hatten uns mürbe gemacht. Also gaben wir nach. In diesem Moment schien es die bequemere Lösung zu sein.

Am Abend ärgerte ich mich jedoch – weniger über den Preis (300 Euro pro Person), sondern vielmehr über das Gefühl, gebunden zu sein.
Wie auch immer: Wir waren in Indien, wir freuten uns und beschlossen, der Tour eine Chance zu geben.

Alle guten Vorsätze vergessen: Von der Travel Agency directly zur Stadtrundfahrt

Kaum hatte ich die Kreditkarte durchs Bezahlgerät gezogen, griff der Manager der Agency zu seinem Smartphone, scrollte durch seine Kontakte und führte ein kurzes Telefonat. Nur wenige Minuten später stellte er uns unseren Fahrer für die nächsten Tage vor: Babu.

Wir hatten gerade einen rund zehn­tägigen, fremd-geplanten Trip für umgerechnet 600 Euro gekauft. Ein mulmiges Gefühl blieb – aber was soll’s. Bequem durch das Land gefahren zu werden, klang in diesem Moment nicht das Schlechteste.

Ich tue mich immer schwer, Menschen aus anderen Kulturen auf ihr Alter zu schätzen. Doch ich nehme an, Babu hatte schon etwa sechzig indische Sommer erlebt – und sah dafür erstaunlich fit aus. Er kam in einem für indische Taxis typischen weißen Suzuki Swift Dzire die enge Straße entlanggerollt und bat uns freundlich, einzusteigen.

Noch ahnten wir nicht, wie viel Zeit wir in den kommenden Tagen in diesem Auto verbringen würden – und welch harten Stresstest unsere Ohren überstehen müssten: einerseits durch das unaufhörliche Hupkonzert des indischen Straßenverkehrs, andererseits durch den Boogie-Woogie, der in ohrenbetäubender Lautstärke aus den Lautsprechern des Suzuki dröhnte.

A little bit of Boogie: Unterwegs mit Babu und seinem kleinen Suzuki Dzire

Am nächsten Morgen holte uns Babu pünktlich am Hotel ab, und wir starteten mit ihm zur Sightseeing-Tour. Bequem war es allemal: einfach ins Auto steigen, sich chauffieren lassen und keinen Gedanken an Transport oder Routen verschwenden. Delhi selbst gefiel uns überraschend gut. Die Highlights liegen weit auseinander, und allein schon wegen des chaotischen Verkehrs empfiehlt es sich, mindestens anderthalb bis zwei Tage für eine Stadttour einzuplanen. Zwischen den Stopps erlebten wir im Stau immer wieder kleine Szenen, die fast spannender waren als die Sehenswürdigkeiten selbst.

Doch schon am ersten Tag bestätigte sich unser Bauchgefühl: Solch eine Tour ist einfach nicht unser Ding. Babu war ein guter Fahrer, kümmerte sich aufmerksam um uns und gab auch ein paar Infos zu den Orten. Trotzdem – das Gelbe vom Ei war es nicht.

Nicht einmal der laute Boogie, den er ohne Vorwarnung in voller Lautstärke abspielte, störte uns wirklich. Schwerer wog, dass wir die Tour kaum abkürzen konnten. Wollten wir zurück, mussten wir es ihm sehr deutlich sagen. Er versuchte dann, uns noch zu überreden: „Nur noch dieser letzte Tempel!“ Aber wir wollten einfach unsere Ruhe, die Nachbarschaft zu Fuß erkunden und das echte Leben um uns herum sehen.

Denn die schönsten Begegnungen hat man nicht an den Top-Spots der Touristen – sondern dort, wo die Menschen wohnen, arbeiten und leben.

Ist der Umgang mit den Touristen in Delhi zu verurteilen?

Teils ja, teils nein. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, wie arm der Großteil der Menschen in Indien ist. Wir Touristen bringen Geld ins Land – und natürlich wittern viele ihre Chance. Dafür habe ich volles Verständnis. Wer arbeitet, soll dafür auch fair bezahlt werden. Wenn sie mit ihrer Leistung den Lebensunterhalt für ihre Familien sichern können, ist das richtig und wichtig.

Was uns jedoch oft begegnete, war weniger das faire Geschäft als vielmehr der Versuch, uns bewusst über den Tisch zu ziehen. Der Reiz, sofort das schnelle Geld zu machen, ist verständlich, aber kurzsichtig. Nachhaltiger wäre es, faire Preise zu verlangen. Dann würden Reisende mit einem guten Gefühl zurückkehren und begeistert von Indien erzählen – und das würde langfristig mehr bringen. Doch so, wie wir es erlebt haben, ergeht es vielen: Es ist schwer, verlässliche Menschen in der Tourismusbranche zu finden, die nicht nur den schnellen Profit suchen.

Am Ende bleibt es dennoch nachvollziehbar. Wer weiß, wie groß die Not gerade ist? Wenn die Familie Hunger hat, die Kinder jetzt Schulgeld brauchen und der Wohlstand schon viel zu lange auf sich warten lässt – dann zählt nicht die ferne Zukunft, sondern das Überleben im Moment.

Fazit unseres Erstkontakts mit Indien

Für den Anfang war es okay. Wir hatten eine gute und private Stadtführung, und Babu war wirklich nett. So konnten wir uns in Ruhe an Delhi und an Indien gewöhnen.

Allerdings entsprach diese Art zu reisen nicht unserer Vorstellung. Das Gefühl, dass alles schon festgelegt war und wir keinen Spielraum für spontane Begegnungen hatten, trübte meine Stimmung erheblich. Es musste sich etwas ändern.

Wir haben es ausprobiert, Indien über eine fertige Tour zu entdecken – und festgestellt, dass das nichts für uns ist. Für unseren Geschmack ist man dabei zu fremdbestimmt und kann den Plan nicht an die vielen schönen Zufälle anpassen, die das Reisen eigentlich ausmachen.

Die Lektion war klar: Am Ankunftstag hätten wir uns einfach mehr Zeit lassen und die Weiterreise entspannt am nächsten Tag organisieren sollen. Stattdessen sind wir überstürzt in die Travel Agency gegangen und haben unbedacht „Ja“ gesagt.

Aber Fehler sind Helfer. Manchmal muss man sie machen, um daraus zu lernen. So haben wir zwar 300 Euro pro Person verloren, dafür aber eine Menge über unser eigenes Reiseverhalten gewonnen. In diesem Sinne hat sich das Chaos in Delhi am Ende doch gelohnt.

Vielen Dank dafür – und viele Grüße an Babu!

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