
Ja, irgendwie hatten wir uns in den Kopf gesetzt, dass wir, wenn wir schon einmal in Irland sind, unbedingt die berühmten Klippen von Moher besuchen müssten.
Bei der spontanen Planung schreckte es uns nicht, dass ein gängiger Online-Routenplaner eine Strecke von etwa 300 Kilometern ausspuckte, die wir angeblich in rund vier Stunden bewältigen könnten. Schon hier hätten wir anhand der zu erwartenden Durchschnittsgeschwindigkeit erahnen können, wie schnell wir uns tatsächlich mit dem Auto auf dieser Route fortbewegen würden.
Turns out: Wir haben wohl jeden noch so kleinen Weg zwischen Malahide und den Klippen von Moher mitgenommen.
Unterwegs überlegten wir uns dann auch noch, das Kloster Clonmacnoise zu besuchen. Die Bilder, die wir zuvor gesehen hatten, wirkten vielversprechend.
Also stiegen wir an einem Freitag im Februar in unseren kleinen Toyota Yaris und ahnten noch nicht, dass wir über zwölf Stunden unterwegs sein würden, bevor wir wieder unsere kleine Wohnung in Malahide betreten sollten.
Auf dem Weg in das Herz Irlands
Voller Übermut und ohne Vorahnung, wie lang sich der Weg tatsächlich gestalten würde, starteten wir bei leichtem Regen unseren kleinen Toyota Yaris und fuhren natürlich zunächst auf der rechten Straßenseite durch unser Wohngebiet. Bis ich mit Erschrecken feststellte, dass ich entweder auf der falschen Seite fuhr – oder auf der falschen Seite saß. Schnell wechselte ich auf die linke Fahrspur und ordnete mich wenig später in den dichten Verkehr auf der schmalen Landstraße ein.
Schon bald bogen wir auf die Autobahn ein und freuten uns, wie die verbleibenden Kilometer dahinschwanden. Das Wetter zeigte sich typisch irisch. Aber gut – was will man erwarten, wenn man im Februar nach Irland fährt?
Es regnete mal stärker, mal schwächer. Der Wind blies konstant und brachte immerhin den Vorteil, dass sich zwischendurch für kurze Zeit ein Stück blauer Himmel zeigte. Also gaben wir uns den Wettergewalten geschlagen und akzeptierten dieses irische Dauerprogramm.
Laut Karte hatten wir schon die halbe Distanz von Malahide nach Moher geschafft, als uns mein Smartphone befahl, die Autobahn zu verlassen. Folgsam nahmen wir die Ausfahrt. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Wir würden die Autobahn erst auf dem Rückweg in Richtung Malahide wiedertreffen.

Von da an bekamen wir einen Vorgeschmack auf die Straßen, die uns auf den letzten 100 bis 150 Kilometern zu den Cliffs of Moher erwarteten. Eng, enger, mit Schlaglöchern übersät – aber wunderschön und vollkommen dem Klischee entsprechend.
So, wie man sich irische Straßen eben vorstellt, wenn man als Kind die Filme von Rosamunde Pilcher mit der Familie ansehen musste. (Gerade habe ich mir den Wikipedia-Eintrag dieser Reihe durchgelesen und festgestellt, dass diese Filme gar nicht in Irland spielen, sondern in Cornwall/UK. Trotzdem lasse ich den Witz hier stehen, weil ich ihn einfach zu gut finde.)
Zwischen grünen Wiesen und alten Mauern: Das Kloster Clonmacnoise
Ich muss ehrlich sagen: Dieses Kloster kannte ich nicht, bevor ich den Reiseführer über Irland aufschlug. Der Name Clonmacnoise vermittelt mir jedoch das Gefühl, dass man dieses Kloster eigentlich kennen müsste – selbst wenn es mitten im Nichts liegt.
Über nasse und schmale Straßen erreichten wir schließlich das Gelände. Wir freuten uns sehr, dass der starke Regen nachzulassen schien und es während unseres Besuchs wohl nur noch „normal“ regnen würde. Tatsächlich hatten wir mehr Glück als Verstand: Schon bald verzog sich der Regen ganz.
In der heutigen Zeit kaum vorstellbar: Clonmacnoise verdankt seinen Namen und seine Bedeutung einst seiner hervorragenden Verkehrsanbindung. Vor rund 1500 Jahren war die Kreuzung, an der das Kloster liegt, Irlands Verkehrsknotenpunkt Nummer eins. In den folgenden 700 Jahren entwickelte sich die Anlage zum bedeutendsten Kloster des Landes.




Mit der wachsenden Popularität häuften sich dort zahlreiche Schätze an – was wiederum Wikinger und auch irische Rivalen anlockte, die Clonmacnoise für ihre Beutezüge auswählten.
Nach und nach geriet das Kloster in Vergessenheit. Heute jedoch ziehen die Ruinen wieder unzählige Besucherinnen und Besucher an – die sich deutlich besser benehmen als die damaligen Langfinger. Zumal es hier keine Schätze mehr zu holen gibt.
Sehenswert ist die Anlage dennoch. Für mich gehören diese Ruinen untrennbar zum Bild von Irland: grüne Wiesen, zerfallene Mauern und irgendwo ein See. Genau diese Vorstellung konnten wir hier mit eigenen Augen erleben.
Wir hatten großes Glück, denn wir waren fast allein vor Ort. Am Eingang wurden wir freundlich empfangen und erhielten einen kleinen, sehr persönlichen Vortrag mit den wichtigsten Fakten über das Kloster.
Für mich hat sich dieser Stopp trotz der vielen Zeit, die er uns direkt und indirekt kostete, unbedingt gelohnt. Hier konnte ich das Irland sehen, das ich immer vor meinem inneren Auge hatte.



Brot mit Banane? Nicht mit mir! – Von der Landstraße direkt in das Pub-Glück
Nach der kurzen, aber lohnenswerten Pause am Kloster Clonmacnoise setzten wir unseren Weg zu den Klippen von Moher fort.
Hier trafen wir eine weitere vermeintliche Fehlentscheidung. Vernünftiger wäre es gewesen, vom Kloster zurück auf die Autobahn zu fahren und auf direktem Weg nach Moher zu gelangen. So hätten wir sicher noch Zeit gehabt, eine der schönsten Städte Irlands zu besuchen: Galway.
Wir entschieden uns jedoch dafür, die letzten 100 bis 150 Kilometer auf den kleinen Landstraßen zurückzulegen. Wobei „Landstraßen“ ein irreführender Begriff ist, wenn man die deutschen Maßstäbe im Kopf hat. Diese Straßen hatten höchstens eineinhalb Spuren, meist jedoch gerade die Breite eines Autos. Links und rechts begrenzt von tiefen Gräben, hohen Steinmauern oder ausladenden Büschen. Entspanntes Fahren war hier kaum möglich, zumal die unzähligen Kurven jede vorausschauende Fahrweise unmöglich machten und man jederzeit mit Gegenverkehr rechnen musste.
Dennoch war die Strecke lohnenswert – landschaftlich wunderschön, wenn auch sehr anstrengend. Als wir kurz vor den Klippen von Moher endlich wieder einen Mittelstreifen auf der Straße sahen, waren wir mehr als erleichtert. Eins stand für uns fest: Ab sofort würden wir nur noch breite Straßen nehmen. Nach zwei bis drei Stunden auf diesen Wegen hatten wir definitiv genug davon.




Bevor wir jedoch in den Genuss normaler Straßen kamen, machte sich kurz nach dem Klosterbesuch der Hunger bemerkbar. Weit und breit nur kleine Ortschaften – von einem Supermarkt keine Spur.
Als wir durch Shannonbridge, unweit von Clonmacnoise, fuhren, entdeckte meine Freundin eine kleine Tankstelle mit einem spärlichen Lebensmittelangebot. Die Stimmung war inzwischen leicht gereizt, und so kaufte sie ein überteuertes Brot und wenig einladend aussehende Bananen. Sie hatte sich ihrem Schicksal ergeben und richtete sich innerlich schon darauf ein, Brot mit Banane zum Mittagessen zu haben.


Ich jedoch wollte mich mit dieser Lösung nicht zufriedengeben und suchte im Dorf weiter nach Alternativen. Tatsächlich wurde ich fündig: Nur wenige Meter von der Tankstelle entfernt lag ein Pub – J. J. Killeen’s. Durch eine alte Tür trat man in eine wunderschöne Gaststube. Keine Ahnung, woher all die Menschen kamen, doch der Pub war gut gefüllt. Warme Lichter, geselliges Stimmengewirr und eine einladende Atmosphäre erfüllten den Raum.
Ich wusste sofort: Hier würde ich endlich mein ersehntes Pub-Erlebnis haben. Schnell schnappte ich mir die Karte und war sicher, dass wir hier etwas zu essen finden würden. Also rief ich meine Freundin an, erzählte von meiner Entdeckung, und sie legte prompt das trockene Brot beiseite, um zu mir zu stoßen.
Und es war genau so, wie ich es mir erhofft hatte. Wir bestellten ein Sandwich mit Fries, leckere Getränke und genossen es, uns aufzuwärmen, die Stimmung aufzusaugen und die Menschen zu beobachten. Bauern in Gummistiefeln, Reisende wie wir, Dorfbewohner und sogar Geschäftsleute – ein bunt gemischtes Bild. Vielleicht ist das ja der Effekt, wenn es weit und breit keine Fast-Food-Ketten gibt.
Für mich war es ein echtes Highlight. Satt und zufrieden verließen wir nach einer Stunde den gemütlichen J. J. Killeen’s Pub und machten uns wieder auf den Weg – diesmal möglichst ohne Umwege – zu den Cliffs of Moher.




Zwischen Schlossruine und Küstendorf: Doonagore Castle und Doolin
Die Kilometer wollten einfach nicht vergehen. Gefühlt kamen wir auf diesen schmalen, kurvigen Straßen nur mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h voran. Ab und zu durchquerten wir ein hübsches Dorf, doch meist begleiteten uns nur Büsche, Gräben und Mauern.
Mehr als einmal freuten wir uns darüber, dass wir bei der Reiseplanung immerhin versucht hatten, ein Budget einzuhalten und dadurch den kleinstmöglichen Mietwagen erhielten. Auf diesen Straßen war das eindeutig ein Vorteil.
Solche Wege haben jedoch immer auch etwas Gutes: Man bekommt einen Eindruck davon, wie die Menschen fernab der großen Städte leben – und das ist zweifellos ein Gewinn.
Trotzdem waren wir erleichtert, als die kleine Straße endlich endete und wir wieder auf einer zweispurigen Fahrbahn unterwegs waren.
Nun näherten wir uns den Cliffs of Moher. Doch bevor wir dorthin fuhren, wollten wir uns noch zwei andere Ziele anschauen. Zuerst entdeckten wir online die Ruine eines Schlosses mit fantastischem Blick auf die wilde Atlantikküste Irlands.


Doonagore Castle, ein rundes Tower House aus dem 16. Jahrhundert, thront oberhalb des Küstenortes Doolin mit Blick auf den Ozean. Sein Baumaterial ist ungewöhnlich – überwiegend Sandstein aus der nahen Küste, was dem Bauwerk eine rustikal-wilde Ausstrahlung verleiht. Heute dient es als privates Ferienhaus und ist leider nicht öffentlich zugänglich. Doch schon der Blick auf seine Silhouette genügt, um sich vorzustellen, wie Menschen hier einst lebten.
Unser nächster Halt war der kleine Küstenort Doolin, unweit des Schlosses direkt an der Küste gelegen. Hier bekamen wir einen ersten Eindruck von den Naturgewalten, die die Cliffs of Moher formten. Der Atlantik preschte mit unvorstellbarer Wucht an die irische Küste. Ein wunderbarer Anblick – die Gischt tanzte vor unseren Augen und das Gegenlicht der untergehenden Sonne tauchte alles in eine besondere Stimmung.





Neben dem eigentlichen Hauptakteur – der Natur – bietet Doolin einige kleine Pubs, ein paar Souvenirläden und ansonsten nicht viel. Für mich wirkte der Ort sehr touristisch, auch wenn er im Februar, während unseres Besuchs, etwas verschlafen daherkam.
Ein Sonnenuntergang an den Cliffs of Moher
Endlich war es so weit: Wir machten uns auf den Weg zu unserem eigentlichen Tagesziel, den weltberühmten Klippen von Moher. Irgendwie kennt jeder diesen Abschnitt der irischen Westküste, und sie stehen auf praktisch jedem Programm einer geführten Reise. Dabei sind sie anscheinend weder die höchsten noch die spektakulärsten Klippen, die Irland zu bieten hat.
Sehenswert sind sie trotzdem. Als wir endlich ankamen, begrüßte uns zuerst ein riesiger Parkplatz und kurz darauf ein gut ausgebautes Besucherzentrum. Da wir die Klippen erst kurz vor Sonnenuntergang erreichten, war der Parkplatz für uns kostenlos, und das Besucherzentrum samt aller Shops hatte bereits geschlossen.
So hatten wir die Klippen fast für uns allein. Nur wenige andere Reisende waren wie wir gekommen, um den Sonnenuntergang hier zu erleben.
Eine herzliche Begegnung hatten wir außerdem: Eine spanische Großfamilie fragte uns freundlich, ob wir sie vor einem Denkmal fotografieren könnten. Natürlich sagten wir zu. Als ich dem Mann sein Smartphone zurückgab, entdeckte er meine Mütze mit dem Schriftzug „Okinawa“. Er erzählte mir begeistert, dass er in Spanien Karate trainierte und ich der erste Mensch sei, den er je getroffen habe, der tatsächlich auf Okinawa gewesen war. Seine Freude war ansteckend, und wir plauderten kurz über die japanische Inselgruppe, die als Geburtsort dieser Kampfkunst gilt.
Danach gingen wir weiter zu den Klippen. Und ich muss sagen: Sie sind wirklich gewaltig und wunderschön; besonders, wenn man sie fast für sich allein hat.
Die Sonne versank langsam hinter dem Horizont, der Wind peitschte uns um die Ohren, die Temperaturen sanken spürbar. Es war alles andere als gemütlich. Und doch genau die richtige Atmosphäre, um diese monumentalen Klippen zu erleben. Uns wurde klar: Wir sind hier nur Gäste; der eigentliche Herrscher ist die Natur.



Von Klippen, einem Kloster und dem Pub zurück in die Stadt
Nachdem die Sonne vollständig verschwunden war und wir die letzten Menschen an den Klippen hinter uns gelassen hatten, traten auch wir den Heimweg an.
Trotz der anstrengenden Route zu den Cliffs of Moher und des nicht immer direkten Weges war es ein wunderschöner Tag. Wir besuchten ein beeindruckendes Kloster, das wohl jedes Irland-Klischee erfüllte. Genossen eine erholsame Zeit in einem authentischen Pub, fuhren viele, viele Kilometer über irische Landstraßen und bekamen einen Einblick, wie abgeschieden manche Menschen auf dem Land leben. Den krönenden Abschluss bildete die atemberaubende Natur an der Westküste Irlands.
Rückblickend war es ein rundum gelungener Tag – schöner hätte er kaum sein können, auch wenn wir unterwegs die Folgen unserer mäßigen Vorbereitung ein ums andere Mal fluchten. Hier zeigt sich erneut: Reisen ist nicht immer einfach.
Natürlich sollte man dankbar und bescheiden bleiben: Wer mit einem Mietwagen durch Irland unterwegs ist, hat keineswegs ein hartes Los gezogen.
Den Rückweg meisterten wir deutlich schneller und größtenteils im Dunkeln, indem wir die Autobahn nach Dublin nutzten. Geradeaus, Podcasts im Ohr, reflektierten wir unseren Tag und ließen die Erlebnisse Revue passieren.
Auch wenn der Weg zwischendurch durchaus nervenaufreibend war – er hat sich absolut gelohnt.
