
Als wir vor einigen Jahren durch Jordanien reisten, lernten wir in Madaba einen irischen Maler kennen. Nach einem sehr herzlichen Gespräch über seine Kunst und das Reisen stellten wir uns gegenseitig vor und verabschiedeten uns schließlich. Wir tauschten unsere Visitenkarten aus, um im Nachhinein unsere Arbeiten online betrachten zu können. Während ich meine Fotografie höchstens als naive Kunst betrachte, war Pat ein wirklicher Künstler.
Auf seinen Reisen zeichnete er wunderschöne Bilder, die er sowohl online als auch in seiner Galerie nördlich von Dublin verkaufte. Schon damals kam mir die Idee, dass wir in naher Zukunft nach Irland reisen sollten, um Pat in seiner Galerie zu besuchen.
Nur zwei Jahre nach dieser Begegnung in Madaba standen wir schließlich im stürmischen Februar vor seiner Galerie in Slane, Irland.
Der Maler von Madaba – Eine Begegnung die bleibt
Ich glaube, wir fuhren etwa eine Stunde in das Dorf, in dem Pat lebte. Schon während der Fahrt freute ich mich darauf, ihn wiederzusehen und ihn mit unserem Besuch zu überraschen. In der kurzen Zeit in Madaba hatten wir uns gut verstanden, und irgendwie hatte diese Begegnung meine Einstellung zum Reisen ein Stück weit verändert.
Das Treffen an einer Kreuzung nahe der Moschee in Madaba bestärkte mich darin, dass es sich immer lohnt, fremde Menschen anzusprechen, Interesse zu zeigen und ihnen zuzuhören. Pat reist gemeinsam mit seiner Frau sehr viel, und statt wie ich zu fotografieren, zeichnet er. Man findet ihn mit seinen Utensilien zum Beispiel in Angkor Wat oder in einem laotischen Dorf – immer mitten im Geschehen, auffällig durch sein Skizzenbuch und sicher oft im Gespräch mit anderen Reisenden.
Einen Künstler wie ihn hatte ich bis dahin tatsächlich noch nie getroffen. Nach unserer Unterhaltung fragte ich ihn, ob ich ihn fotografieren dürfe. Er stimmte freundlich zu und gab mir sogar sein Handy, damit ich ein weiteres Bild für ihn aufnehmen konnte. So hatte er ebenfalls ein Foto von sich für seine Website.
By the way: Hier könnt ihr euch das fertige Bild, welches er in Madaba gezeichnet hat, bestaunen oder gar kaufen.


Auf der Suche nach Pat in Slane
Nach etwa einer Stunde Fahrt von Malahide und einigen wirklich heftigen Regenschauern erreichten wir Slane. Wir fuhren zunächst die Hauptstraße entlang, durchquerten den kleinen, gemütlichen Ort – und stellten fest, dass wir schneller als gedacht an Pats Studio vorbeigefahren waren und nun bereits am Ortsende standen.
Also drehten wir um und suchten uns einen Parkplatz in der Nähe seiner Galerie. Irgendwie hatte ich schon ein seltsames Gefühl, dass wir Pat nicht in seinem Studio antreffen würden. Zur Sicherheit legte ich den Kunstdruck seines Porträts in eine Versandmappe, fügte ein Foto von uns hinzu – damit er wusste, von wem das Geschenk kam – und schrieb noch einen kurzen Brief.
Mit all diesen Dingen im Gepäck gingen wir die letzten Meter zu Fuß zum Studio. Schon von außen sahen wir, dass es geschlossen war. Kein Problem, dachte ich, er hatte seine Telefonnummer hinterlegt. Also standen wir an der dicht befahrenen Hauptstraße von Slane, und ich tippte seine Nummer in mein Smartphone. Es wählte. Gespannt wartete ich, ob er den Anruf entgegennahm, sich an unsere Begegnung erinnerte und mich erkannte.






Von Jordanien nach Irland – ein Wiedersehen am Telefon
Nach wenigen Momenten nahm er den Anruf entgegen. Sofort erkannte ich seine Stimme und fühlte mich direkt zurückversetzt an die kleine Kreuzung in Madaba, Jordanien. Ich stellte mich vor, erinnerte ihn an unser erstes Treffen und erzählte, dass ich nun das Foto von ihm im Gepäck hätte, um es ihm zu schenken. Schon nach kurzer Zeit erinnerte sich Pat herzlich an unsere Begegnung und freute sich sichtlich. Er erzählte mir, dass er das Bild der Moschee fertiggestellt habe und danach noch eine Weile in Jordanien geblieben sei. Später sei er weiter nach Amman gereist, um sich dort neuen Motiven zu widmen.
Nach einigen Minuten gemeinsamen Erinnerns fragte ich ihn, wo er sich gerade aufhalte. Gleichzeitig erklärte ich ihm in Ruhe, dass wir vor seinem Studio in Slane stünden. Ich erinnerte ihn daran, dass wir ihm einmal versprochen hatten, nach Irland zu reisen und ihn in seiner Galerie zu besuchen. Heute sei der Tag, an dem wir dieses Versprechen einlösen wollten.
Mit Bedauern erzählte er mir, dass er derzeit selbst auf Reisen sei – um zu zeichnen – und uns deshalb nicht in Slane empfangen könne. Wir waren beide enttäuscht, doch er klang hörbar gerührt und freute sich sehr darüber, dass wir unser Versprechen gehalten hatten, ihn nicht vergessen hatten und tatsächlich nach Slane gekommen waren.
Natürlich fragte ich ihn auch, wo er sich im Moment befinde. Seine Antwort verstand ich zunächst als „Tel Aviv“ – und fragte sofort, ob es nicht zu gefährlich sei, während des Krieges zwischen Hamas und Israel dort zu zeichnen. Überrascht reagierte diesmal er. Nach einigem Hin und Her stellte sich schließlich heraus, dass er sich auf Teneriffa befand.
Dieses kleine Missverständnis war das Ergebnis, wenn ein Nicht-Muttersprachler an einer viel zu lauten Straße mit schlechter Handyverbindung mit einem irischen Künstler telefoniert. Am Ende war es einfach eine lustige Situation, über die wir beide lachen mussten.
Eine andere Lösung musste her – Ein Bild um Briefkasten
Nachdem wir sicher eine Viertelstunde miteinander telefoniert und uns interessiert über unser Leben ausgetauscht hatten, fragte ich ihn, wie ich ihm nun den Kunstdruck zukommen lassen könnte.
Es stellte sich heraus, dass in der Tür seines Studios ein Briefkasten eingelassen war und ich das Bild dort einwerfen konnte. Ich war froh über meine Vorbereitung und darüber, dass ich alles dabeihatte, um ihm das Bild so zu hinterlassen, bis er wieder in Slane zurück ist.
Kurz bevor wir uns verabschiedeten, versprach ich ihm noch, eine E-Mail zu schicken, in der er sein Porträt schon einmal sehen würde.
Wir verabschiedeten uns herzlich. Nachdem ich das Telefonat beendet hatte, verschloss ich die Versandtasche mit dem Bild und meinem Brief und versuchte, sie vorsichtig durch den viel zu schmalen Briefkastenschlitz zu schieben.
Fertig.


Ein Treffen, das anders kam – aber dennoch einzigartig war
Einerseits freute ich mich sehr darüber, mit Pat telefoniert zu haben, andererseits machte sich auch eine gewisse Ernüchterung breit. Irgendwie hatte ich mir das Treffen anders vorgestellt: Wir schenken ihm das Bild persönlich in seiner Galerie, sprechen dort noch einmal miteinander, ich porträtiere ihn vielleicht erneut und mit etwas Glück ergibt sich sogar die Möglichkeit, eine seiner Zeichnungen zu kaufen. Schließlich hat er viele Reiseziele besucht, die auch wir schon erkundet haben.
Noch ganz in Gedanken an Pat und unser Gespräch schlenderten wir den restlichen Vormittag durch Slane. Wir fanden ein wirklich tolles Café, in dem sicherlich auch Pat schon einmal gesessen hat, und gönnten uns zwei ausgesprochen leckere Stücke Torte. Später versuchten wir vergeblich, das enorme Plus an Kalorien mit einer kleinen Wanderung auf den Hill of Slane wieder loszuwerden. Viel haben wir dabei sicher nicht verbrannt, doch es war eine Wanderung, die sich absolut gelohnt hat.



Gelohnt hat sich auch der gesamte Ausflug nach Slane. Zwar haben wir Pat nicht persönlich getroffen, doch wir konnten unser Versprechen einlösen und ihm ein kleines Geschenk hinterlassen. Wir haben einem Menschen, den wir kaum kennen, zu dem wir uns aber sofort verbunden fühlten, eine spontane Freude gemacht.
Und dieses Gefühl ist ein sehr schönes Gefühl. Allein deshalb hat sich der Weg nach Slane mehr als gelohnt.
(Nach seiner Rückkehr nach Slane schrieb uns Pat noch eine sehr freundliche E-Mail und bedankte sich für das Bild. Beim Stöbern auf meiner Fotografie-Website merkte er außerdem an, dass wir offenbar ein Faible für dieselben Reiseziele haben. Danke, Pat!)


